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Wednesday Apr 02, 2025
121 — Künstliche Unintelligenz
Wednesday Apr 02, 2025
Wednesday Apr 02, 2025
In dieser Folge steht das Thema »Künstliche Unitelligenz« im Mittelpunkt – ein Begriff, der aus einem Artikel aus dem Spectator stammt: Britain has become a pioneer in Artificial Unintelligence. Was genau verbirgt sich hinter dieser Idee?
»Artificial Unintelligence is the means by which people of perfectly adequate natural intelligence are transformed by policies, procedures and protocols into animate but inflexible cogs. They speak and behave, but do not think or decide.«
Wie werden aus Menschen mit natürlicher Intelligenz bloß unflexible Rädchen? Wir reflektieren die zunehmende Strukturierung und Standardisierung in Organisationen, um mit wachsender gesellschaftlicher Komplexität umgehen zu können. Ein Ausgangspunkt der Episode ist die Frage, warum wir in immer mehr Organisationen eine strukturelle und individuelle Inkompetenz erleben? Ein Zitat aus dem genannten Artikel fasst es treffend zusammen:
»‘I didn’t find anything in common in these cases,’ I said, ‘except the stupidity of your staff. I expected him to get angry, but he maintained a Buddha-like calm. ‘Oh, I know,’ he replied, ‘but that is the standard expected now.’«
Wie konnte es so weit kommen? Liegt es an der Industrialisierung, die laut Dan Davies in The Unaccountability Machine besagt:
»A very important consequence of industrialisation is that it breaks the connection between the worker and the product.«
Oder hat es damit zu tun, wie wir mit Überwältungung durch Information umgehen.
»When people are overwhelmed by information, they always react in the same way – by building systems.«
Sind Menschen, die individuell denken, in solchen Systemen eher hinderlich als hilfreich? Doch was passiert, wenn komplexe Probleme auftreten, die Flexibilität und Kreativität erfordern? Sind unsere Organisationen überhaupt noch in der Lage, mit unerwarteten Situationen umzugehen, oder arbeiten sie nur noch »maschinenhaft« nach Vorgaben – und das mit einem Maschinenverständnis des 19. Jahrhunderts? Ist die Stagnation, die wir seit Jahrzehnten spüren, ein Symptom dieses Systemversagens? Und wie hängt das mit der sogenannten »Unaccountability Machine« zusammen, die Davies beschreibt und die man im Deutschen vielleicht als »Verantwortungslosigkeits-Maschine« bezeichnen könnte? Kann es sogar sein, dass manche Strukturen bewusst als »self-organising control fraud« gestaltet sind?
Ein weiteres damit verbundenes Thema ist: Wie beeinflussen moderne Prognose-Tools wie Recommender Systems unser Verhalten? Dienen sie wirklich dazu, bessere Entscheidungen zu ermöglichen, oder machen sie uns hauptsächlich vorhersagbarer? »Menschen, die dies und jedes gekauft/gesehen haben, haben auch dies gekauft/gesehen« – ist das noch Prognose oder schon Formung des Geschmacks? Und was ist mit wissenschaftlichen Modellen komplexer Systeme, die oft relativ beliebige Ergebnisse liefern? Formen sie nicht auch die Meinung von Wissenschaftlern, Politikern und der Gesellschaft – etwa durch die überall beobachtbare schlichte Medienberichterstattung?
Bleibt außerdem der Mensch wirklich »in the loop«, wie oft behauptet wird, oder ist er längst ein »artificial unintelligent man in the loop«, der Empfehlungen des Systems kaum hinterfragen kann?
Die Episode wirft auch einen kritischen Blick auf naive Ideologien wie das »Scientific World Management« von Alfred Korzybski, der schrieb:
„it will give a scientific foundation to Political Economy and transform so-called ‘scientific shop management’ into genuine ‘scientific world management.’“
War dieser Wunsch nach dem Ersten Weltkrieg verständlich, aber letztlich völlig missgeleitet? Und warum erleben wir heute eine Wiederkehr des naiven Szientismus, der glaubt, »die Wissenschaft« liefere objektive Antworten? Wie hängen solche Ideen mit Phänomenen wie »Science Diplomacy« zusammen?
Die zentrale Frage der Episode lautet: Wie erreicht man, dass Menschen in Verantwortung korrekt im Sinne des definierten Zwecks der Organisation entscheiden? Doch was ist überhaupt der Zweck eines Systems? Stafford Beer sagt:
»The purpose of a system is what it does.«
Stimmt der definierte Zweck – etwa Gesundheit im Gesundheitssystem – noch mit der Realität überein? Warum entscheiden Ärzte oft defensiv im eigenen Interesse statt im Interesse der Patienten? Und wie überträgt sich dieses Verhalten auf andere Organisationen – von Ministerien bis hin zur Wissenschaft? Davies beschreibt das ab Beispiel des akademischen Publikationswesens so:
„A not-wholly-unfair analysis of academic publishing would be that it is an industry in which academics compete against one another for the privilege of providing free labour for a profitmaking company, which then sells the results back to them at monopoly prices.“
Und weiter:
„The truly valuable output of the academic publishing industry is not journals, but citations.“
Was ist aus der Idee geworden, dass die Generierung von neuem und relevantem Wissen die Aufgabe von Wissenschaft, Förderung und Publikationswesen ist?
Zum Abschluss stelle ich die Frage: Wie können Systeme so gestaltet werden, dass Verantwortung wieder übernommen wird? Wie balanciert man die Zuordnung von Konsequenzen mit der Möglichkeit, ehrlich zu scheitern – ohne Innovation zu ersticken? Und was sind »Luxury Beliefs« – jene modischen Ideen elitärer Kreise, die sie selbst nicht tragen müssen, während sie für andere zur existenziellen Bedrohung werden?
Die Episode endet so mit einem Aufruf zur Diskussion: Wie lösen wir diesen Spagat zwischen Verantwortung und Risiko in einer immer komplexeren Welt?
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 119: Spy vs Spy: Über künstlicher Intelligenz und anderen Agenten
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Episode 118: Science and Decision Making under Uncertainty, A Conversation with Prof. John Ioannidis
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Episode 117: Der humpelnde Staat, ein Gespräch mit Prof. Christoph Kletzer
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Episode 116: Science and Politics, A Conversation with Prof. Jessica Weinkle
-
Episode 106: Wissenschaft als Ersatzreligion? Ein Gespräch mit Manfred Glauninger
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Episode 103: Schwarze Schwäne in Extremistan; die Welt des Nassim Taleb, ein Gespräch mit Ralph Zlabinger
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Episode 93: Covid. Die unerklärliche Stille nach dem Sturm. Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
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Episode 91: Die Heidi-Klum-Universität, ein Gespräch mit Prof. Ehrmann und Prof. Sommer
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Episode 84: (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
Fachliche Referenzen
- Britain has become a pioneer in Artificial Unintelligence | The Spectator (2025)
- Davies, Dan. The Unaccountability Machine: Why Big Systems Make Terrible Decisions - and How The World Lost its Mind, Profile Books (2024)
- Alfred Korzybski, Manhood of Humanity (1921)
- Jessica Weinkle, What is Science Diplomacy (2025)
- Nassim Taleb, Skin in the Game, Penguin (2018)
- Rob Henderson, 'Luxury beliefs' are latest status symbol for rich Americans, New York Post (2019)
-
Lorraine Daston, Rules, Princeton Univ. Press (2023)

Thursday Mar 20, 2025
Thursday Mar 20, 2025
Willkommen zu einer neuen Folge meines Podcasts! In dieser Episode begrüße ich den renommierten Experten Franz Josef Radermacher vor einem besonderen Gast an der Wand: Albert Einstein. Was hat Einstein mit Energie zu tun? Warum ist Energie die Grundlage menschlichen Wohlstands? Und wie gestalten wir eine nachhaltige Zukunft in einer global vernetzten Welt? Dieses Gespräch nimmt uns mit auf eine Reise durch die Geschichte der Energienutzung, die Herausforderungen der Energiewende und die geopolitischen Dimensionen, die oft übersehen werden.
Prof. Radermacher ist Vorstand des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung, stellv. Vorstandsvorsitzender von Global Energy Solutions e. V. (Ulm), emerit. Professor für Informatik, Universität Ulm, 2000 – 2018 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI); er ist Ehrenpräsident des Ökosozialen Forum Europa, Wien, Mitglied des UN-Council of Engineers for the Energy Transition (CEET) sowie Mitglied des Club of Rome, Winterthur.
Was hat Einstein mit diesem Gespräch zu tun? Wir beginnen mit der Frage, welche Rolle Energie in unserer Gesellschaft spielt sowie der Tatsache, dass vielen Menschen, vermutlich den meisten, nicht klar ist, was unsere Gesellschaft antreibt? So waren 2023 mehr als 81 Prozent des gesamten weltweiten Energieverbrauchs durch fossile Quellen gedeckt, und die Menge an fossilen Energieträgern wächst ständig.
Wie hat Energie die Menschheit geprägt? Welche Energiequellen hatten wir früher und welchen Einfluss hatte die Veränderung der Energieträger auf unsere Gesellschaft und unseren Lebensstandard? Warum dominieren fossile Brennstoffe heute noch? Kann Energie Armut bekämpfen? Ist es Energie, die Wohlstand schafft?
Warum sind zwei oft übersehene Parameter von so großer Bedeutung: Energiedichte und Platzbedarf? Kernkraftwerke benötigen wenig Fläche im Vergleich zu Windrädern oder Photovoltaik:
»Da ist ja ein Faktor 100 dazwischen.« […] »Weil auch Fläche ein extrem knappes Gut ist, ist es problematisch, wenn man eine Energie mit ziemlich niedriger Dichte hat.«
Gleichzeitig sind Energie und Emissionen, besonders Treibhausgase, globale Phänomene, die lokal nicht zu lösen sind.
»Von 2004 bis 2023 haben die globalen Investitionen in Wind und Solar rund 4 Billionen Dollar ausgemacht, und trotzdem sind die fossilen Energieträger dreimal schneller gewachsen.“ Zudem: „In den großen Industrienationen […] eine Reduktion der CO2-Emissionen, aber gleichzeitig einen Zuwachs in Indien und China, der diese Reduktionen um das Faktor 5 überschattet.«, Robert Bryce
Überrascht uns China? China hat mittlerweile die EU auch in den Pro-Kopf-Emissionen überholt. Was passiert, wenn Schwellenländer folgen?
»An China kann man erkennen, was passiert, wenn ein armes Land versucht, Wohlstand aufzubauen. Und das geht bis heute nur mit fossilen Energieträgern.«
Sind schnelle Lösungen gefährlich? Großinfrastruktur, Energiesysteme sind immer eine Frage von Jahrzehnten. Wenn wir versuchen, Dinge hier über das Knie zu brechen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie große und extrem teure Fehler machen, enorm. Außerdem stellt sich die Frage, welche Relevanz Europa überhaupt noch hat?
Welche Maßnahmen gegen den Klimawandel könnten erfolgreich sein? Was wurde etwa in Baku beschlossen? Funktionieren Transferzahlungen? Warum scheitert eine Renewables Only Strategie zwangsläufig?
»Die Idee, Renewables Only, ist ja eine von Deutschland immer wieder propagierte Idee.[… Es] ist nur eine Methode, [Entwicklungsländer] arm zu halten«
Aber was ist die Alternative? Was ist Carbon Capture? Was ist die Rolle von Kernkraft? Welche Mischung verschiedener Verfahren ist sinnvoll?
Zuletzt diskutieren wir über Strom vs. Moleküle und den All-Electric-Irrtum. Damit verbunden ist der Irrglaube, Wasserstoff könnte das Renable-Desaster lösen.
Welche geopolitischen Herausforderungen sind mit diesen Themen verknüpft? Ist Prof. Radermacher optimistisch — für Europa, die Welt? Was könnte man jungen Menschen empfehlen?
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 109: Was ist Komplexität? Ein Gespräch mit Dr. Marco Wehr
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Episode 107: How to Organise Complex Societies? A Conversation with Johan Norberg
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Episode 95: Geopolitik und Militär, ein Gespräch mit Brigadier Prof. Walter Feichtinger
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Episode 94: Systemisches Denken und gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Gespräch mit Herbert Saurugg
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Episode 86: Climate Uncertainty and Risk, a conversation with Dr. Judith Curry
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Episode 81: Energie und Ressourcen, ein Gespräch mit Dr. Lars Schernikau
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Episode 73: Ökorealismus, ein Gespräch mit Björn Peters
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Episode 70: Future of Farming, a conversation with Padraic Flood
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Episode 62: Wirtschaft und Umwelt, ein Gespräch mit Prof. Hans-Werner Sinn
Prof. Radermacher
- Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung/n
- Global Energy Solutions
- Prof. Radermacher im Vorstand der Global Energy Solutions
- All In: Energie und Wohlstand für eine wachsende Welt, Murmann (2024)
Fachliche Referenzen
- Vaclav Smil, How the World Really Works, Penguin (2022)
- Vaclav Smil, Net Zero 2050, Fraser Institute (2024)
- Robert Bryce, The Energy Transition Isn't (2023)
- Robert Bryce, Numbers Don’t Lie (2024)

Thursday Mar 13, 2025
119 — Spy vs Spy: Über künstlicher Intelligenz und anderen Agenten
Thursday Mar 13, 2025
Thursday Mar 13, 2025
In dieser Folge tauchen wir tief in die Welt der Künstlichen Intelligenz (KI) ein und betrachten sie aus einer systemischen Perspektive. Inspiriert vom klassischen Cartoon Spy vs. Spy geht es um die Frage, wie KI-Systeme miteinander interagieren — sowohl im Sinne von Kooperation als auch Konkurrenz — und welche Herausforderungen dies für uns Menschen mit sich bringt.
Ich beleuchte die evolutionäre Natur technischen Fortschritts, die Risiken von Komplexität und Kontrollverlust sowie die möglichen Folgen einer Zukunft, in der KI von einem passiven Werkzeug zu einem aktiven Akteur wird. Begleiten Sie mich auf einer Reise durch emergente Phänomene und Fulgurationen, systemische Abhängigkeiten und die Frage, wie wir die Kontrolle über immer komplexere Systeme behalten können. Denn es stellen sich zahlreiche Fragen:
- Wie könnte sich die Interaktion zwischen KI-Systemen in der Zukunft entwickeln – eher kooperativ oder kompetitiv?
- Welche Rolle spielt der Mensch noch, wenn KI-Systeme immer schneller Entscheidungen treffen und autonome Akteure werden?
- Welche Erfahrungen haben Sie mit technischen Systemen gemacht, die durch Komplexität oder Automatisierung an Kontrolle verloren haben?
- Was bedeutet es für unsere Gesellschaft, wenn wir durch Automatisierung Know-how und Kontrolle an externe Akteure abgeben?
- Wie können wir den Übergang von KI als Spielzeug zu einem systemisch notwendigen Element gestalten, ohne in eine Abhängigkeit zu geraten?
- Glauben Sie, dass KI jemals eine eigene Motivation oder Intentionalität entwickeln könnte – und wenn ja, wie sollten wir darauf reagieren?
- Welche Strategien könnten helfen, die Kontrolle über komplexe, nicht-deterministische Systeme wie KI-Agenten zu behalten?
- Wie sehen Sie die geopolitischen Herausforderungen der KI-Entwicklung, insbesondere in Bezug auf Energie und Innovation?
- Welche positiven Szenarien können Sie sich für eine Zukunft mit KI und autonomen Agenten vorstellen?
- Wie bereiten Sie sich persönlich oder in Ihrem Umfeld auf die kommenden Entwicklungen in der KI vor?
Ich freue mich Ihre Gedanken und Ansichten zu hören! Schreiben Sie mir und lassen Sie uns gemeinsam über die Zukunft nachdenken. Bis zum nächsten Mal beim gemeinsamen Nachdenken über die Zukunft!
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 109: Was ist Komplexität? Ein Gespräch mit Dr. Marco Wehr
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Episode 107: How to Organise Complex Societies? A Conversation with Johan Norberg
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Episode 104: Aus Quantität wird Qualität
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Episode 103: Schwarze Schwäne in Extremistan; die Welt des Nassim Taleb, ein Gespräch mit Ralph Zlabinger
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Episode 99: Entkopplung, Kopplung, Rückkopplung
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Episode 94: Systemisches Denken und gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Gespräch mit Herbert Saurugg
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Episode 90: Unintended Consequences (Unerwartete Folgen)
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Episode 69: Complexity in Software
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Episode 40: Software Nachhaltigkeit, ein Gespräch mit Philipp Reisinger
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Episode 31: Software in der modernen Gesellschaft – Gespräch mit Tom Konrad
Fachliche Referenzen
- Spy vs. Spy, The Complete Casebook
- Rupert Riedl, Strukturen der Komplexität: Eine Morphologie des Erkennens und Erklärens, Springer (2000)
- Doug Meil, The U.K. Post Office Scandal: Software Malpractice At Scale – Communications of the ACM (2024)
- Casey Rosenthal, Chaos Engineering, O'Reilly (2017)

Thursday Feb 13, 2025
117 — Der humpelnde Staat, ein Gespräch mit Prof. Christoph Kletzer
Thursday Feb 13, 2025
Thursday Feb 13, 2025
Die heutige Episode hat wieder viel Spaß gemacht. Zu Gast ist Prof. Christoph Kletzer. Ich bin auf ihn gestoßen über einen Artikel in der Presse mit dem Titel »Der humpelnde Staat« — und das soll auch der Titel dieser Episode sein.
Prof. Christoph Kletzer ist Professor am King’s College London und eine profilierte Stimme in politischen Debatten.
»Eine seltsame Krankheit hat unsere europäische Staatsordnung befallen: Sie interessiert sich immer stärker für die kleinsten Details unseres Lebens, wird immer einfallsreicher bei der Tiefenregulierung des Alltags, lässt uns aber mit unseren brennendsten Nöten allein.«
Wir beginnen mit der Frage nach den immer stärker werdenden staatlichen Eingriffen. Welche Beispiele kann man dafür nennen?
»Im Grunde haben wir alle so kleine Sandboxen, in denen wir spielen dürfen«
Und dennoch verlieren viele der westlichen Staaten zunehmend die Fähigkeiten, ihre Kernaufgaben zu erfüllen.
Erleben wir in den vergangenen Jahrzehnten einen zunehmenden Illiberalismus? Das Ganze scheint gepaart zu sein mit einer wachsenden Moralisierung aller möglichen Lebensbereiche.
»Die Unfähigkeit im Großen wird durch aggressiven Kleingeist kompensiert.«
Was ist die Rolle der einzelnen Akteure und des Systems?
»Die Funktion des Systems ist das, was es tut« — »The purpose of a system is what it does«, Stafford Beer
Woher kommt dieses Verrutschen des staatlichen Fokus?
»Machtlosigkeit im Inneren wird mit technokratischem Verwaltungsstaatshandeln kompensiert. Das ist zum Teil in die DNA der Europäischen Union eingeschrieben.«
Sie wird als Neo-Funktionalismus bezeichnet. Was bedeutet dies? Wurden wir in eine politische Einheit geschummelt? Wer hat eigentlich welche Kompetenz und wer trägt für welche Entscheidungen konkret Verantwortung?
»Das wirkt mir eher nach FIFA als nach einem demokratischen System.«
Oder wie der Komplexitätsforscher Peter Kruse es ausgedrückt hat:
»In einem Krabbenkorb herrscht immer eine Mordsdynamik, aber bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass eigentlich nichts richtig vorwärtsgeht.«
Wie kann man komplexe Systeme strukturieren oder Ordnung in komplexe Systeme bringen? Gibt es einen verfassungsrechtlichen Geburtsfehler in der EU? Kann man diesen noch beheben? Wird das Problem überhaupt diskutiert?
Welche Rolle spielen Preise in der Selbstorganisation komplexer Wirtschaften?
Kann Innovation als Arbitrage betrachtet werden?
Wie viel kann bei einer komplexen Einheit wie der EU zentral gesteuert werden und wie viel muss sich durch selbstorganisierende Phänomene gestalten lassen? Sollten wir bei Kernaufgaben (was sind diese?) zentralistischer handeln und mehr Staat haben, aber beim Rest viel weniger Staat zulassen?
Was können wir von der Situation in Argentinien und Javier Milei lernen? Warum sind Preiskontrollen fast immer eine verheerende Idee?
Gleiten Top-Down organisierte, etatistische Systeme immer in Totalitarismus ab?
Was sind Interventionsspiralen, wie entstehen sie und wie kann man sie vermeiden?
Erleben wir eine Auflösung der regelbasierten globalen Ordnung und wie ist das zu bewerten, vor allem auch aus europäischer Perspektive? Werden wir vom Aufschwung, der aus Nationen wie den USA oder Argentinien kommt, überrollt; haben wir mit unserer Trägheit hier überhaupt noch eine Chance, mitzukommen?
Gibt es eine »Angst vor Groß« in Europa? Dafür aber dominieren Sendungsbewusstsein und Hochmut? Wie spielt diese Angst zusammen mit einer der aktuell größten technologischen Veränderungen, der künstlichen Intelligenz?
Haben wir es im politischen und bürokratischen Systemen mit einer Destillation der Inkompetenz zu tun? Oder liegt das Problem eher bei einer Politisierung der Justiz?
»Die künftige Konfliktlage ist zwischen Justiz und Parlament.«
Wer regiert eigentlich unsere Nationen? Politik oder »Deep State«? War der »Marsch durch die Institutionen« erfolgreich und hat unsere Nationen nachhaltig beschädigt?
Wer hat eigentlich den Anreiz, in die öffentliche Verwaltung zu gehen?
Braucht es die überschießende Rhetorik von Milei, um überhaupt eine Chance zu haben, den Stillstand zu beenden?
»By liberty, was meant protection against the tyranny of the political rulers.«, John Stuart Mill
Erleben wir eine Umkehrung der hart erkämpften Werte der Aktivisten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts? Ist der Schutz von Politikern wichtiger als die freie Meinungsäußerung? Wo sind wir hingeraten?
Was bedeutet Liberalismus überhaupt und wie hat sich der Begriff verändert? Wie setzt sich der liberale Staat gegen seine Feinde zur Wehr? Aber wer entscheidet, wer der Feind ist Wie weit kann der Staat »neutral« bleiben, wie weit muss er Werte haben?
Von der Wiege bis zur Bahre, vom Staat bevormundet? Ist das dann zu viel? Oder wollen das viele wirklich?
»Die Schwierigkeit der Menschen, erwachsen zu werden, ist auch ein Wohlstandsphänomen. Der Wohlstand, den wir haben, führt auch zum ewigen Kind.«
Aber dazu kommt noch eine weitere Dimension:
»Auch die Hypermoral ist ja eine infantile Geschichte.«
Woher kommen eigentlich die großen Veränderungen im späten 20. und 21. Jahrhundert?
»Die neue Revolution ist nicht ausgegangen von der Arbeiterschaft, sondern von der administrativen Elite«, James Burnham
Schafft der administrative Staat immer neue Situationen, die immer neue Eingriffe notwendig machen und die eigene Macht verstärken? Werden also immer neue paternalistische Strukturen notwendig, um die Probleme zu »lösen«, die selbst zuvor verursacht wurden? Und diese Problemlösung erzeugt wieder neue Probleme, die … Ist das Lösen der Probleme im Sinne der Machtstruktur gar nicht wünschenswert?
Trifft dies nicht nur auf politische, sondern auch auf andere Organisationsstrukturen zu?
Was ist die »eisige Nacht der polaren Kälte« nach Max Weber? Kann man eine Bürokratie der Debürokratisierung und damit eine Multiplikation des Problems vermeiden? Lässt sich dieses Dilemma rational, vernünftig lösen oder stecken wir hier in der Pathologie der Rationalität fest?
Braucht es einen Clown, um den gordischen Knoten durchzuschlagen? Aber steckt in dieser Irrationalität nicht auch eine Gefahr? Welches unbekannte Know-how steckt — nach konservativer Logik — in den etablierten Strukturen?
Stehen wir vor der Wahl einer tödlichen Verfettung oder einer gefährlichen Operation? Was wählen wir?
Welches Hindernis stellt Statusdenken und Verhaften in Hierarchien dar? Signalisierung vor Bedeutung?
Hilft das Denken von Foucault, um diese Problemlagen besser zu verstehen?
»Academia has a tendency, when unchecked (from lack of skin in the game), to evolve into a ritualistic self-referential publishing game.«, Nassim Taleb
Spielen wir in der Wissenschaft Cargo-Kult im 21. Jahrhundert?
»Wenn man nur die richtigen Wörter sagt [passend zum jeweiligen Kult], dann ist es schon wahr.«
Und der Cargo-Kult applaudiert.
»Status können wir in Europa. Und Status ist per definitionem Abwendung von Realität.«
Wie gehen wir in die Zukunft?
»Ich bin für den Einzelnen optimistisch, fürs Kollektiv weniger.«
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 111: Macht. Ein Gespräch mit Christine Bauer-Jelinek
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Episode 107: How to Organise Complex Societies? A Conversation with Johan Norberg
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Episode 106: Wissenschaft als Ersatzreligion? Ein Gespräch mit Manfred Glauninger
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Episode 103: Schwarze Schwäne in Extremistan; die Welt des Nassim Taleb, ein Gespräch mit Ralph Zlabinger
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Episode 99: Entkopplung, Kopplung, Rückkopplung
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Episode 96: Ist der heutigen Welt nur mehr mit Komödie beizukommen? Ein Gespräch mit Vince Ebert
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Episode 95: Geopolitik und Militär, ein Gespräch mit Brigadier Prof. Walter Feichtinger
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Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
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Episode 77: Freie Privatstädte, ein Gespräch mit Dr. Titus Gebel
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Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
Christoph Kletzer
Fachliche Referenzen
- Stafford Beer, The Heart of Enterprise, Wiley (1979)
- Thomas Sowell, intellectuals and Society, Basic Books (2010)
- Friedrich von Hayek, The Road to Serfdom, Routledge (1944)
- John Stuart Mill, On Liberty (1859)
- David Graeber, The Dawn of Everything, A New History of Humanity, Farrar, Strauss and Giroux (2021)
- Max Weber, Politik als Beruf (1919)
- Nassim Taleb, Skin in the Game, Penguin (2018)
- Steven Brindle, Brunel: The Man Who Built the World, W&N (2006)

Tuesday Jan 07, 2025
115 — Fragen über Fragen
Tuesday Jan 07, 2025
Tuesday Jan 07, 2025
Jahresrückblicke finde ich eher langweilig; jeder weiß, was im letzten Jahr passiert ist. Für mich ist es viel spannender zu reflektieren, was wir aus dem vergangenen Jahr lernen können. Welche Irrtümer haben wir gemacht, welche eigenen Ideen wurden in Frage gestellt? Welche neuen Fragen stellen sich und welche werden entscheidend für das kommende Jahr sein? Fragen scheinen mir konstruktiver zu sein als Antworten, da sie das Denken leiten und zu Diskussionen und Widersprüchen einladen, ohne die Antworten vorwegzunehmen.
Diese Episode widmet sich genau diesen Fragen und Themen, die besonders in den Episoden des letzten Jahres diskutiert wurden. Beginnen wir mit den »Strukturen des Versagens«. Nach Rory Sutherland kann das Gegenteil von gut ebenfalls gut sein. Das Gegenteil von schlecht hingegen ist oft noch schlechter. Die »Contrarian« Position ist keine stabile Basis zur Wahrheitsfindung. Nur durch ehrliche Auseinandersetzung und stetigen kritischen Diskurs können wir der Wahrheit näherkommen. Wir können die Realität ignorieren, aber nicht die Folgen dieses Ignorierens – ein Phänomen, das in den nächsten Jahren in Europa besonders bitter werden könnte, wenn wir weiterhin politisches oder aktivistisches Wunschdenken über die Realität stellen.
Ein weiteres Thema ist, was die Legacy-Medien ersetzen wird. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass traditionelle Medien an journalistischem Wert und Bedeutung verloren haben. Die US-Wahlen wurden durch Podcasts und soziale Medien beeinflusst, und in Europa könnten ähnliche Überraschungen folgen. Aber was sollte diese Systeme ersetzen?
Weiters haben wir diskutiert, ob mehr Wissenschaftler wirklich zu besserer Wissenschaft führen. Es gibt Anzeichen für Marktverzerrungen in der Wissenschaft, was zu kurzfristigen Zielen und Stagnation führt. Wie sollte Wissenschaftsförderung stattfinden, zumal der aktuelle Zustand nicht zufriedenstellend ist?
Komplexität und Resilienz sind ein weiteres Thema. Der Irrglaube, dass komplex gleich fragil ist, wird von der Natur widerlegt, die komplex und zugleich, oder gerade deshalb (?) resilient ist. Menschliche Systeme hingegen scheinen oft durch Komplexität fragil zu werden. Welche Faktoren machen ein komplexes System resilient oder fragil?
Ein weiterer Punkt ist das Konzept von Skin in the Game gegenüber Risikovermeidung. Gesellschaften brauchen Menschen, die kluge Risiken eingehen — Unternehmer, Innovatoren, Wissenschaftler. Doch wie kann man Risikobereitschaft fördern, wenn diese Risiken das eigene Leben zerstören können?
Schließlich diskutieren wir den Liberalismus, die Freiheit und die Organisation komplexer Gesellschaften. Zentrale Lösungen für komplexe Probleme scheitern erwartungsgemäß. Kann und sollte man dysfunktionale Systeme reformieren oder ist ein Neuanfang nötig?
Wie erwachsen sind Erwachsene wirklich und wie viel Selbstverantwortung kann man von ihnen in einer komplexen Gesellschaft erwarten?
Schreiben Sie mir Ihre Gedanken dazu – Diskussion und Widerspruch sind herzlich willkommen.
In diesen Shownotes gibt es keine Referenzen. Sie beziehen sich auf die Episoden des letzten Jahres.

Wednesday Dec 04, 2024
112 — Nullius in Verba — oder: Der Müll der Wissenschaft
Wednesday Dec 04, 2024
Wednesday Dec 04, 2024
Heute wieder eine Episode in der ich kurz über eine Thema der Wissenschaftspraxis reflektieren möchte, den meisten Zuhörern wahrscheinlich nicht klar ist, dessen Konsequenzen sich auch mir noch nicht völlig erschließen, ich freue mich also auf Emails und Kommentare. Das Thema ist wenig erbaulich, ist aber ein Puzzlestein, der gut in das Bild passt, das wir in einigen früheren Episoden schon angesprochen haben.
Die Qualität des wissenschaftlichen Publikationswesens scheint sich im Sturzflug zu befinden und dies seit vielen Jahren. Die deutsche Physikerin Sabine Hossenfeldern sagt leicht polemisch:
»Scientific Process is slowing down and most of what gets published in academia is now bullshit.«
Was erleben wir in den letzten Jahrzehnten und warum hat mich eine persönliche Beobachtung zu dieser Episode gebracht?
Warum ist das Motto der 1660 gegründeten Royal Society heute aktueller als je zuvor.
»Nullius in Verba«
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 106: Wissenschaft als Ersatzreligion? Ein Gespräch mit Manfred Glauninger
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Episode 104: Aus Quantität wird Qualität
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Episode 91: Die Heidi-Klum-Universität, ein Gespräch mit Prof. Ehrmann und Prof. Sommer
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Episode 86: Climate Uncertainty and Risk, a conversation with Dr. Judith Curry
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Episode 84: (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
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Episode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica Thompson
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Episode 71: Stagnation oder Fortschritt — eine Reflexion an der Geschichte eines Lebens
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Episode 68: Modelle und Realität, ein Gespräch mit Dr. Andreas Windisch
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Episode 47: Große Worte
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Episode 41: Intellektuelle Bescheidenheit: Was wir von Bertrand Russel und der Eugenik lernen können
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Episode 39: Follow the Science?
Fachliche Referenzen
- Report of the Investigation Committee on the Possibility of Scientific Misconduct in the Work of Hendrik Schön And Coauthors
- Publikationen von Jan Hendrik Schön (Google Scholar)
- John Ioannidis, Das Gewissen der Wissenschaft, Ö1 Dimensionen (2024)
- John Ioannidis, The scientists who publish a paper every five days, Nature Comment (2018)
- John P. A. Ioannidis, Why Most Published Research Findings Are False (2005)
- Jesse Singal, Quick Fix, Picador (2022)
- Erica Thompson, Escape from Model Land, Basic Books (2022)
- Sabine Hossenfelder, Lost in Math: How Beauty Leads Physics Astray (2020)
- Beall's List
- Jeffrey Beall
- Sabine Hossenfelder, Science is in trouble and it worries me (2024)

Monday Nov 18, 2024
111 — Macht. Ein Gespräch mit Christine Bauer-Jelinek
Monday Nov 18, 2024
Monday Nov 18, 2024
Ich freue mich ganz besonders, dass sich Frau Christine Bauer-Jelinek Zeit für ein Gespräch genommen hat, denn das Thema dieser Episode ist Macht.
Frau Bauer-Jelinek ist Wirtschaftscoach, renommierte Autorin, Keynote Speaker für Macht-Kompetenz sowie Vortragende bei »Zukunft Frauen«, einem Programm der Wirtschaftskammer Österreich für Frauen in Top-Positionen. Sie war Psychotherapeutin und u.a. Gastdozentin an der Donau-Universität Krems für »Macht und Mikropolitik in Organisationen«. Durch ihre Sachbücher wurde sie als Expertin für Mechanismen der Macht und deren Gender-Aspekte sowie für Trends der gesellschaftlichen Entwicklung bekannt.
Photo: Thomas Backmann
Wir beginnen das Gespräch mit der Frage, wie sie als Psychotherapeutin zum Thema Macht gekommen ist. Gab es in den 70er- und 80er-Jahren eine Veränderung der Sprache, hin zu einer »Entmilitarisierung«? Denken wir etwa an Jürgen Habermas und die damals modische Idee des »gewaltfreien Diskurses« oder die gewaltfreie Erziehung bis zu »Laissez-faire« der 1970er Jahre. Gab beziehungsweise gibt es ein Tabu zum Thema Macht?
»Das ist wie Sex in den 50er Jahren. Jeder macht es, aber keiner weiß, wie es geht und keiner hat Worte dafür.«
Frau Bauer-Jelinek sucht nach praktischen Ansätzen und Tools und schreibt ihr erstes Buch zum Thema im Jahr 2000. Aber wie ist Macht definiert? Wo kommt Macht zu tragen? Wer kann Macht besitzen und was ist strukturelle Macht? Existiert besonders in Deutschland und Österreich ein Macht-Tabu, das in dieser Form in anderen Nationen weniger zu beobachten ist?
»Nach Max Weber ist Macht das Vermögen einen Willen gegen einen Widerstand durchzusetzen, gleich mit welchen Mitteln. Dies ist allerdings gleich die maximale Eskalationsstufe.«
Gibt es hier Abstufungen? Gibt es friedliche Formen der Macht? Rhetorik, Verhandlungstechnik usw.
Was ist von der Veränderung der Anrede vom »Sie« zum »Du« im Unternehmen und in der Öffentlichkeit zu halten? Ist diese Ikeaisierung hilfreich, ein rein kulturelles Phänomen oder auch eine Veränderung (oder gar Verschleierung) von Machtverhältnissen?
»Der Diskurs mag herrschaftsfrei geheißen haben, aber er war natürlich nicht herrschaftsfrei.«
Was sind Dominanzgesten und wie verändern sich diese über die Zeit und (Sub)kulturen? Was ist der Zusammenhang zwischen Macht und Freiheit?
Welche Quellen der Macht kann man identifizieren?
- Macht der Materie
- Macht der Herkunft
- Macht der Mehrheit
- Macht des Wissens
- Macht der Gefühle
- Macht der Funktion
- Macht der Kontakte
- Macht der Überzeugung
Welche Rollen spielen Wissen, Expertise und Kompetenz? Wie ist das Verhältnis zwischen (Legacy-) Medien und Macht — was wird vermittelt und vor allem auch: Was wird nicht thematisiert? Wer beschließt beispielsweise, was »Fake News« sind.
»Wissenschaft ist das einzige Wort, das sich ins Gegenteil verkehrt, wenn man den Artikel davorsetzt. — Die Wissenschaft zu vereinnahmen, ist ein Machtinstrument«
Denn Wissenschaft funktioniert nicht demokratisch.
Wie viel ist Erfahrung wert und verändert Macht den Charakter?
»Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, dann gib ihm Macht.«, Abraham Lincoln
Oder bringt Macht den Charakter erst richtig hervor?
»Wenn man keinen Koffer mit Geld angeboten bekommt, kann man leicht tugendhaft sein.«
Haben Spitzenmanager psychopathische oder narzisstische Neigungen? Ist das ein Selektionsmechanismus? Wo steckt die Macht im Unternehmen und ist es überhaupt einfach zu erkennen, was das Ziel einer Organisation ist?
»Oben ist weniger Macht als Unten […] Viele, die über die gläserne Decke kommen, sehen dann erst, dass sie das gar nicht wollen. […] Besonders Frauen tun sich das dann oft nicht an, weil sie oft noch nicht so Status-orientiert sind.«
Muss Beruf Berufung sein, oder kann man seine Werte auch woanders ausleben? Aber kann man in der heutigen Arbeitswelt überhaupt zwischen Arbeit und Freizeit trennen? Liegt in dieser Vermischung nicht auch ein Machtinstrument?
Was ist die Elite und wer hat überhaupt Chance in die Elite aufzusteigen? Welche Rolle spielt formale Bildung — ist diese gar hauptsächlich Signalisierung?
»Die Insignien der Macht sind branchenabhängig.«
Was ist die Rolle der Religion und wie hat sich dies über die Jahre verändert? Ist Religion ein heute relevanter Schauplatz der Macht? Wie verhält es sich mit pseudo-/parareligiösen Strömungen, etwa in Form von radikalem Aktivismus?
Was ist die magische Auswahl? Die »unsichtbare« Form der Propaganda in »liberalen« Gesellschaften?
»You have to create a bubble of sanity« — ist das möglich, oder muss man im Unternehmen immer wachsam bleiben und eine »Rüstung« anziehen?
Was ist die Rolle von Familie und Freunden (und damit sind nicht Facebook-Freunde gemeint) und warum man Machttechniken des Berufes keinesfalls zuhause anwenden sollte?
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 107: How to Organise Complex Societies? A Conversation with Johan Norberg
-
Episode 106: Wissenschaft als Ersatzreligion? Ein Gespräch mit Manfred Glauninger
-
Episode 101: Live im MQ, Macht und Ohnmacht in der Wissensgesellschaft. Ein Gespräch mit John G. Haas.
-
Episode 98: Ist Gott tot? Ein philosophisches Gespräch mit Jan Juhani Steinmann
-
Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
-
Episode 74: Apocalype Always
-
Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann
-
Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
Christine Bauer-Jelinek
- Homepage von Christine Bauer-Jelinek
- Vortragserie »Alles über Macht« YouTube
- Machtwort. Angst, Wut und Ohnmacht überwinden, Carl Ueberreuter (2016)
- Der falsche Feind – Schuld sind nicht die Männer, ecoWing (2012)
- Die helle und die dunkle Seite der Macht – Wie Sie Ihre Ziele durchsetzen, ohne Ihre Werte zu verraten, ecoWing (2020)
- Die geheimen Spielregeln der Macht – und die Illusionen der Gutmenschen, ecoWing (2020)
Fachliche Referenzen
- Jürgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns. (1981)
- Bryan Caplan, The Case against Education, Princeton University Press (2019)
- Robert Greene, The 48 Laws Of Power, Profile Books (2000)

Tuesday Oct 08, 2024
109 — Was ist Komplexität? Ein Gespräch mit Dr. Marco Wehr
Tuesday Oct 08, 2024
Tuesday Oct 08, 2024
Eifrige Hörer des Podcasts werden bemerken, dass es bereits eine Episode zum Thema gab, nämlich Episode 10 mit dem Titel »Komplizierte Komplexität« aus dem Jahr 2019. Es lohnt sich auch, diese nochmals nachzuhören, aber nach fünf Jahren ist es an der Zeit, hier ein Update zu machen. Ganz besonders auch deshalb, weil ich wieder einen hervorragenden Gesprächspartner zum Thema virtuell einladen durfte, Dr. Marco Wehr.
Dr. Marco Wehr ist Physiker und promovierter Wissenschaftstheoretiker. Als vielfach ausgezeichneter Autor und Redner beschäftigt er sich mit Fragen der Vorhersehbarkeit, der Rolle des Körpers für das Denken und der Beziehung von Gehirn und Computer. Marco Wehr ist Gründer und Leiter des Philosophischen Labors in Tübingen. Sein neues Buch »Komplexe neue Welt« ist natürlich eine der Grundlagen für dieses Gespräch. Es ist unlängst zum Wissensbuch des Jahres 2024 vorgeschlagen worden. Link zum Buch natürlich wie immer in den Shownotes.
Marco beschäftigt sich auch mit der Frage der Modellierung, und sein aktuelles Vortrags-Format für 2025 heißt folgerichtig: »Die Macht mathematischer Modelle«.
Wir beginnen mit der Frage, was der Unterschied zwischen komplexen und komplizierten Systemen oder Fragestellungen ist, zumal diese beiden Begriffe umgangssprachlich oft synonym verwendet werden. Was kann man in dieser Hinsicht von Mandelbrot-Fraktalen lernen?
Welche Systeme der Welt sind irreduzibel?
“Can one predict what will happen? No, there’s what I call computational irreducibility: in effect the passage of time corresponds to an irreducible computation that we have to run to know how it will turn out.”, Stephen Wolfram
Wie kann man feststellen, ob man ein kompliziertes oder komplexes Problem vor sich hat? Was sind »Inseln der Propheten«? Gibt es eine kognitive Täuschung in den Naturwissenschaften? Der US-amerikanische Wissenschaftsforscher John Ioannidis hält Menschen (und besonders auch Wissenschafter), die glauben, zu viel zu wissen, für eine große Gefahr. Schon der bedeutende Philosoph des 20. Jahrhunderts, Karl Popper, hat dies sehr deutlich ausgedrückt:
»Jeder Intellektuelle hat eine ganz spezielle Verantwortung. Er hat das Privileg und die Gelegenheit, zu studieren. Dafür schuldet er es seinen Mitmenschen (oder der Gesellschaft), die Erkenntnisse seines Studiums in der einfachsten und klarsten und bescheidensten Form darzustellen. Das Schlimmste – eine Sünde gegen den heiligen Geist – ist, wenn die Intellektuellen es versuchen, sich ihren Mitmenschen gegenüber als große Propheten aufzuspielen und sie mit orakelnden Philosophien zu beeindrucken. Wer’s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er’s klar sagen kann.«
Dann sprechen wir über den Laplacesche Dämon und was man von ihm über die Welt und die Entstehung der Wahrscheinlichkeitsrechnung lernen kann?
Wie hat Urbain Le Verrier den Neptun vorhergesagt?
»Ich möchte, dass man das, was man weiß, und das, was man nicht weiß, deutlich voneinander unterscheidet.«
Wie erkennt man einen Experten und wer repräsentiert Wissenschaft?
Was sind Rückkopplung und Resonanz und warum ist es so entscheidend, diese Phänomene in komplexen Systemen zu verstehen? Wo sind die Grenzen eines Modells? Gibt es eine saubere Trennung zwischen Beobachter und Modell? Was sind Signaturen komplexer oder chaotischer Systeme?
Begehen wir in der heutigen wissenschaftlichen Praxis zu häufig den Fehler »im Licht zu suchen«, statt dort, wo es sinnvoll wäre — besonders in den Bereichen, die man im weiteren Sinne als Data-Science bezeichnet? Man kann versuchen, die Welt zu verstehen, oder die lösbaren Probleme der Welt herauszupicken und daraus falsche Schlüsse über die Welt zu ziehen.
Was ist die stoische Landkarte, wie kann und diese weiterhelfen?
Hypothese ist immer vor der Empirie und damit bekommen begründete Vorannahmen eine wichtige Rolle im wissenschaftlichen Prozess.
Dazu kommt, dass es nie nur ein Modell gibt, das zu bestimmten Daten »passt«, dies wird auch als Duhem-Quine Hypothese bezeichnet.
Was bedeutet dies am Beispiel der Klimamodellierung oder Wirtschaftsmodellen? Kann man die Inseln des Wissens von den Inseln des Unwissens unterscheiden? Welche Rolle spielen Vulkane und andere Naturkatastrophen?
Warum ist die Energiewende in Deutschland schiefgegangen?
»Am deutschen Wesen soll die Welt genesen...«
Die Welt lernt in der Tat von Deutschland, aber wohl eher am Versagen Deutschlands. Das mag gut für die Welt sein, ist aber schlecht für Deutschland. Wie ist das dazu gekommen? Was sind »intellektuelle Insulaner«?
Was sind Komplexitätsfallen – natürliche vs. künstliche — heute haben wir es mit beiden zu tun und einer Mischung/Interaktion von beiden? Noch kritischer sind hybride Komplexitätsfallen oder Komplexitätsmonster — wie kommen diese zustande?
Was versteht man unter emergenten Effekten?
Was sind existenzielle Risiken, und warum ist ein Fokus auf »Klima« kontraproduktiv — Carrington-Event als Beispiel.
“There are no solutions, only tradeoffs”, Thomas Sowell
Wie gehen wir als Individuen mit radikaler Unsicherheit in komplexen Systemen um?
»We control nothing, but we influence everything«, Brian Klaas
Was ist die richtige Balance zwischen Sicherheit und Unsicherheit? Ist diese erreichbar?
»Die meisten Menschen wollen nicht in einer total vorhersagbaren Welt leben, auch wenn sie das behaupten.«
Wie kommen wir als Gesellschaft wieder aus den zahlreichen schweren Problemen heraus, in denen wir uns in den letzten Jahren verstrickt haben? Offene Diskussion scheint das wesentlichste zu sein. Kontroverse steht im Zentrum von Wissenschaft und daraus folgt offener und kritischer gesellschaftlicher Diskurs.
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 107: How to Organise Complex Societies? A Conversation with Johan Norberg
-
Episode 106: Wissenschaft als Ersatzreligion? Ein Gespräch mit Manfred Glauninger
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Episode 99: Entkopplung, Kopplung, Rückkopplung
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Episode 96: Ist der heutigen Welt nur mehr mit Komödie beizukommen? Ein Gespräch mit Vince Ebert
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Episode 94: Systemisches Denken und gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Gespräch mit Herbert Saurugg
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Episode 92: Wissen und Expertise Teil 2
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Episode 90: Unintended Consequences (Unerwartete Folgen)
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Episode 86: Climate Uncertainty and Risk, a conversation with Dr. Judith Curry
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Episode 85: Naturalismus — was weiß Wissenschaft?
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Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
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Episode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica Thompson
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Episode 76: Existentielle Risiken
-
Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
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Episode 69: Complexity in Software
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Episode 68: Modelle und Realität, ein Gespräch mit Dr. Andreas Windisch
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Episode 36: Energiewende und Kernkraft, ein Gespräch mit Anna Veronika Wendland
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Episode 10: Komplizierte Komplexität
Dr. Marco Wehr
- Marco Wehr auf LinkedIn
- Philosophisches Labor in Tübingen
- Marco Wehr, Komplexe neue Welt und wie wir lernen, damit klarzukommen, Galiani Berlin (2024)
Fachliche Referenzen
- Steven Wolfram, How to Think Computationally about AI, the Universe and Everything (2023)
- Daphne Hruby, John Ioannidis: Das Gewissen der Wissenschaft, Ö1 Dimensionen (2024)
- Karl Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt (1987)
- Underdetermination of Scientific Theory, Stanford Encyclopedia of Philosophy (2023)
- Franz Josef Radermacher, Global Energy Solutions
- Thomas Sowell, A Conflict of Visions: Ideological Origins of Political Struggles (1987)
- Brian Klaas, Fluke: Chance, Chaos, and Why Everything We Do Matters, John Murray (2024)

Tuesday Sep 24, 2024
108 — Freie Privatstädte Teil 2, ein Gespräch mit Titus Gebel
Tuesday Sep 24, 2024
Tuesday Sep 24, 2024
In einer Zeit, in der wir überall das Versagen etablierter Strukturen erleben, scheint es mir umso wichtiger zu sein, über neue Ideen nachzudenken und — im Rückgriff auf die letzte Episode mit Johan Norberg — viel offener und experimentierfreudiger zu sein. Mit »mehr vom selben« werden wir diese tiefe Krise, die Europa erfasst hat, nicht bewältigen können.
Eine solche Idee, die international stetig an Zuspruch gewinnt, ist das Thema der heutigen Episode: Freie Privatstädte, Teil 2. Im Gespräch wieder Titus Gebel. Denn es gab vor über einem Jahr die erste Episode zu diesem Thema (Episode 77). Ich habe viel Feedback und Nachfragen zu der ersten Episode bekommen, daher freue ich mich darauf dieses spannende Thema nochmals aufgreifen zu können und neue Entwicklungen mit Dr. Gebel zu sprechen.
Titus Gebel ist ein promovierter Völkerrechtler und Unternehmer mit einem weltweiten Netzwerk. Unter anderem war er Mitgründer und langjähriger CEO der an der Frankfurter Börse notierten Deutsche Rohstoff AG. Heute ist Titus Gebel der CEO von Tipolis, einem Singapurer Unternehmen, das neue Modelle des Zusammenlebens durch innovative Regierungskonzepte entwickelt. Er ist Autor des Buches "Freie Privatstädte – Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt", in dem er den Rahmen für die Gründung autonomer, privat verwalteter Rechtsräume darlegt.
Dr. Gebel spielte eine wichtige Rolle bei der Gründung der bisher fortschrittlichsten Sonderzone, Próspera in Honduras. Er berät auch andere Länder bei der Innovation von Sonderwirtschaftszonen und ist Präsident der Free Cities Foundation, welche weltweit die Entwicklung von freien Städten fördert.
Es hat noch einen weiteren Grund, warum diese Episode gerade jetzt aufgenommen wird. Einmal im Jahr findet die Liberty in our Lifetime Konferenz in Prag statt, dieses Jahr vom 1. - 3. Nov. Eine Konferenz, die sich mit dem Thema Freie Privatstädte beschäftigt und Interessenten aus der ganzen Welt anlockt. Ich werde an dieser Konferenz teilnehmen und auch versuchen, ein wenig von der Stimmung und von den Themen, die dort diskutiert werden, mitzunehmen und daraus eine Podcast-Episode zu machen.
Daher können wir diese Episode auch als Einstimmung verstehen.
Wir beginnen mit einem »Elevator Pitch«, in der Dr. Gebel das Konzept der freien Privatstädte kurz vorstellt. Regierung als Dienstleistung — was sind diese Dienstleistungen, was sind die Kosten? Was sind wesentliche Probleme in der öffentlichen Verwaltung?
- Was ist das Principal Agent Problem?
- Was ist die Public Choice Problematik?
- Wie gehen wir mit Regeländerungen um?
Ist der Bürger zunehmend machtlos in den heutigen westlichen Nationen? Was ist die Idee des klassisch liberalen Minimalstaats, kann das funktionieren? Warum sollte das wünschenswert sein? Ist das vielleicht überhaupt eine unerhörte Idee?
Es stellt sich die elementare Frage, worum sich der Staat kümmern soll, genauer gesagt, wozu er überhaupt die Kompetenz hat, sich zu kümmern. Wollen wir in Deutschland den »Übervater Staat«? Fallen wir gar in voraufklärerische Zeiten zurück?
Mit welchen Makrotrends oder großen Fragen, die heute zum Glück langsam wieder thematisiert werden, überschneiden sich diese Konzepte? Konzepte von Freiheit, Verhältnis Bürger / Staat; wer muss sich vor wem rechtfertigen? Wie sind Unterschiede im Blickwinkel auf diese Fragen zwischen den USA und Europa?
Welche Probleme kann man zentralisieren und welche muss man dezentral lösen oder jedenfalls angehen? Kann Planwirtschaft, auch wenn sie in der Vergangenheit immer gescheitert ist, in der Zukunft dennoch erfolgreich sein, z. B. durch die Nutzung von »künstlicher Intelligenz«? Zieht jede Zentralisierung immer mehr Macht an sich? Aus Konzentration von Macht folgt keineswegs eine Konzentration von Wissen.
Wie groß ist der Unterschied zwischen common law/case law gegenüber civil law in der »Philosophie« und in der Praxis?
Sind die FPS nur eine »Meta-Idee«, die verschiedenste Ausprägungen erlauben? Sind in Wahrheit Experiment und Wettbewerb eines der führenden Prinzipien? Ist das aktuelle System reformierbar?
»Der Staat soll nur Schiedsrichter sein und nicht mitspielen«
Warum gibt es so viel Gegenwind gegen neue und unkonventionelle Ideen?
»Wenn ich fremde Produkte verbieten muss, aus Angst, dass sie meine besten Leute abziehen, dann ist mit mir etwas nicht in Ordnung.«
Wie ist der Umgang der früheren Leitmedien mit solchen neuen Vorschlägen?
»Die Idee, dass die Menschen ihre Probleme selber lösen, ist nicht verbreitet.«
Unter welchen Rahmenbedingungen funktioniert Demokratie überhaupt? Glauben die heutigen »Progressiven« überhaupt noch an die Demokratie, die sie angeblich ständig verteidigen müssen? Wird gerade die Majestätsbeleidigung wieder eingeführt?
Was sollten wir über Skalierung wissen? Ist die Stadt möglicherweise die beste politisch/organisatorische Größe?
Wie unterscheiden sich die unterschiedlichen Konzepte, von der Sonderwirtschaftszone bis zur Freien Privatstadt? Was ist Seasteading — am Beispiel von Ocean Builders?
Was macht Tipolis als Unternehmen, und wie geht es dem Vorzeigeprojekt Próspera?
Sind diese Konzepte möglicherweise geeignet, um zu helfen, Afrika aus der Armut zu führen, nachdem die Ansätze der letzten Jahrzehnte keine wesentliche Verbesserung gebracht haben?
Was können wir von Javier Milei in Argentinien erwarten? Symptom oder Zeitenwende?
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 77: Freie Privatstädte, ein Gespräch mit Dr. Titus Gebel
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Episode 107: How to Organise Complex Societies? A Conversation with Johan Norberg
-
Episode 103: Schwarze Schwäne in Extremistan; die Welt des Nassim Taleb, ein Gespräch mit Ralph Zlabinger
-
Episode 96: Ist der heutigen Welt nur mehr mit Komödie beizukommen? Ein Gespräch mit Vince Ebert
-
Episode 93: Covid. Die unerklärliche Stille nach dem Sturm. Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
-
Episode 82: Smart Communities, ein Gespräch mit Ulrich Ahle
-
Episode 73: Ökorealismus, ein Gespräch mit Björn Peters
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Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 65: Getting Nothing Done — Teil 2
-
Episode 64: Getting Nothing Done — Teil 1
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Episode 58: Verwaltung und staatliche Strukturen — ein Gespräch mit Veronika Lévesque
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Episode 26: Was kann Politik (noch) leisten? Ein Gespräch mit Christoph Chorherr
Dr. Titus Gebel
- Homepage Dr. Titus Gebel
- Tipolis
- Free Cities Foundation
- Liberty in our Lifetime Conference, 1. - 3.Nov. 2024
Andere Referenzen
- Titus Gebel, Freie Privatstädte – Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt (2023)
- Próspera, Honduras
- Ocean Builders

Tuesday Aug 27, 2024
106 — Wissenschaft als Ersatzreligion? Ein Gespräch mit Manfred Glauninger
Tuesday Aug 27, 2024
Tuesday Aug 27, 2024
Das heutige Gespräch führe ich mit Dr. Manfred Glauninger. Er ist Soziolinguist und forscht am Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und lehrt am Institut für Germanistik der Universität Wien.
Dieses Gespräch war für mich ganz besonders interessant und auch unterhaltsam, weil wir eine ganze Reihe von Dingen miteinander verbunden haben, die schon in früheren Episoden erwähnt wurden.
Was ist Wissenssoziologie, warum muss Wissenschaft auch als soziales Phänomen verstanden werden? Ist es gefährlich oder notwendig, Wissenschaft zu entmystifizieren und auch hart zu kritisieren? Wirkt Wissenschaft in manchen Bereichen unserer Gesellschaft gar als Ersatzreligion? Was sind die Auswirkungen davon?
Was lernen wir aus den schweren Krisen der letzten 20 Jahren und dem regelmäßigen Versagen von Institutionen über die Rolle der Wissenschaft?
Wie läuft die Produktion von Wissen ab? Welche »magischen« Mechanismen gibt es hier, oder verhält es sich letztlich ähnlich wie die Produktion zahlreicher anderer Güter? Was hat es mit Fehlern und Inkompetenz auf sich? Gibt es unterschiedliche Arten von Fehlern?
Gibt es eine frühe »Prägung« des Nachwuchses in der Wissenschaft, gepaart mit starken Hierarchien und Gerontokratie? Welche Rolle spielt Wettbewerb gegenüber Kooperation in der Wissenschaft? Richten wir die Wissenschaft zu sehr nach marktwirtschaftlichen Prinzipien aus, oder besser gesagt: spielt die Wissenschaft Marktwirtschaft, weil weder die Akteure dafür die Kompetenz haben, noch das Modell passt?
In einigen anderen Folgen wurde das Thema Stagnation schon angesprochen, auch hier stellen wir die Frage: Verdoppelt sich das Wissen oder eher Rauschen regelmäßig? Eine in diesem Zusammenhang für die Gesellschaft sehr relevante Frage ist, welchen Beitrag die immer größere Zahl an wissenschaftlich ausgebildeten Menschen tatsächlich für unsere Gesellschaft leisten? Welche Rolle spielt eben diese wissenschaftliche Ausbildung dabei? Bringt die universitäre Ausbildung tatsächlich signifikante Gewinne für unsere Gesellschaft oder dominiert Signalisierung über Substanz? Der US-amerikanische Ökonom, dessen Name mir in der Episode nicht eingefallen war, ist Bryan Kaplan, der selbst an der George Mason Eliteuniversität forscht und unterrichtet.
»My best guess says signaling accounts for 80% of education’s return”«, Bryan Kaplan
Die Idee der Signalisierung und sollte mit der schon genannten der Frage nach der Qualität der Bildung in unseren Institutionen verknüpft werden, besonders hinsichtlich der nur verbleibenden 20% :
»Teachers’ plea that “we’re mediocre at teaching what we measure, but great at teaching what we don’t measure” is comically convenient.«, Bryan Kaplan
Auch zwischen den Studienrichtungen gibt es Unterschiede. Gilt die Geisteswissenschaft immer häufiger als Notnagel für diejenigen, die schwierigere Studien nicht schaffen? In einer früheren Episode hat bereits Prof. Michael Sommer ähnliche Aussagen getätigt.
“The excentric university professor is a species that is going to be extinct fast. […] The bad currency is driving out the good and in effect where the people who are nimble in the art of writing for grants are displacing the idiosyncratic thinkers who are generally much less nimble at that sort of activity.”, Peter Thiel
Peter Thiel bietet sogar ein Stipendium für diejenigen an, die »Dinge bauen wollen, anstatt im Klassenzimmer zu sitzen.«
Damit stellt sich eine noch grundlegendere Frage: Stellen viele Fächer so etwas wie eine institutionelle Autopoiesis dar, ist es also Wissenschaft als selbstreferenzielle Legitimation ihrer eigenen Institutionen, weil sie keinen direkt erkennbaren Nutzen haben? Aber die Frage kann auch umgedreht werden: Was richtet Institutionalisierung mit Wissenschaft an?
Als »Berufsdenker« sollte auch die Selbstreflexion hoch im Kurs stehen, warum hört man dann so wenig davon in der Öffentlichkeit, im Besonderen nach großen Krisen?
Wie kann das Zusammenspiel zwischen Politik und Wissenschaft beschrieben werden? Kann Wissenschaft tatsächlich nur in Demokratien das volle Potenzial ausspielen?
»Macht ist ein wichtiger Punkt in der Wissenschaft.«
Was können wir hier aus der Vergangenheit lernen, etwa der Wissenschaft während der Nazi-Diktatur in Deutschland und Österreich?
»Lawyers and doctors, all credentialed with university degrees, were substantially overrepresented within the NSDAP, as were university students (then a far narrower section of society than today)«, Niall Ferguson
Benötigen wir überhaupt so viele Akademiker in unserer Gesellschaft? Der deutsche Philosoph Julian Nida-Rümelin spricht vom Akademisierungswahn. Der damalige britische Premierminister Rishi Sunak warnt, dass zu vielen Universitätsstudenten ein falscher Traum verkauft werde. Auch Thomas Sowell kritisiert die eindimensionale Betrachtung des Wissensbegriffs:
»Someone who is considered to be a “knowledgeable” person usually has a special kind of knowledge—perhaps academic or other kinds of knowledge not widely found in the population at large. Someone who has even more knowledge of more mundane things—plumbing, carpentry, or automobile transmissions, for example—is less likely to be called “knowledgeable” by those intellectuals for whom what they don’t know isn’t knowledge. Although the special kind of knowledge associated with intellectuals is usually valued more, and those who have such knowledge are usually accorded more prestige, it is by no means certain that the kind of knowledge mastered by intellectuals is necessarily more consequential in its effects in the real world.«, Thomas Sowell
Absolventen von Universitäten müssen aber auch als Denkkollektiv gesehen werden. Ist dies aber ein Kollektiv, wo Diversität nur auf der Verpackung steht?
Wer ist überhaupt Innovator in unseren modernen Gesellschaften?
»But just as most engineers are not inventors, and most scientists are not researchers, so most science is not research. […] The university was keeping up with a changing technological world rather than creating it.«, David Edgerton
Was hat es also mit Kreativität im Wissenschaftsbetrieb, im Kollektiv zu tun?
Hat zumindest eine kleine Minderheit noch die Chance, sich einen Freiraum zu schaffen, den die Institution (noch) nicht erkannt und durch Prozesse und Regeln ausradiert hat.
Zuletzt kehren wir zur Frage zurück, wie Krise und Expertise zusammenwirken. Was sind die zwei wichtigsten Aussagen, die Sie von jedem Experten hören sollten, aber selten hören? Dr. Glauninger wird es am Ende der Episode enthüllen.
“Evidence based policy has become policy based evidence.”, Mervyn King
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 101: Live im MQ, Macht und Ohnmacht in der Wissensgesellschaft. Ein Gespräch mit John G. Haas.
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Episode 96: Ist der heutigen Welt nur mehr mit Komödie beizukommen? Ein Gespräch mit Vince Ebert
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Episode 93: Covid. Die unerklärliche Stille nach dem Sturm. Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
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Episode 92: Wissen und Expertise Teil 2
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Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion Teil 1
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Episode 91: Die Heidi-Klum-Universität, ein Gespräch mit Prof. Ehrmann und Prof. Sommer
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Episode 85: Naturalismus — was weiß Wissenschaft?
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Episode 84: (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
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Episode 83: Robert Merton — Was ist Wissenschaft?
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Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
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Episode 71: Stagnation oder Fortschritt — eine Reflexion an der Geschichte eines Lebens
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Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp Blom
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Episode 41: Intellektuelle Bescheidenheit: Was wir von Bertrand Russel und der Eugenik lernen können
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Episode 39: Follow the Science?
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Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann
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Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
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Episode 18: Gespräch mit Andreas Windisch: Physik, Fortschritt oder Stagnation
Dr. Manfred Glauninger
Fachliche Referenzen
- John P. A. Ioannidis, Why Most Published Findings Are False (2005)
- Sabine Kleinert, Richard Horton, How should medical science change? Lancet Comment (2014)
- Ludwig Fleck, Genesis and development of a scientific fact. ed. T.J. Trenn and R.K. Merton, foreword by Thomas Kuhn. Chicago : University of Chicago Press, 1979. This is the first English translation of his 1935 book titled Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollectiv. Basel: Schwabe und Co
- Bryan Kaplan, The Case against Education, Princeton University Press (2018)
- Conversation between Peter Thiel und David Graeber, Where did the Future go? (2020)
- Peter Thiel Fellowship
- Niall Ferguson, The Treason of the Intellectuals, The Free Press (2023)
- Niall Ferguson, The Treason of the Intellectuals, Uncommon Knowledge with Peter Robinson (2024)
- Julien Benda, La trahison des clercs (1927)
- Julian Nida Rümelin, Der Akademisierungswahn, Vortrag Körber-Stiftung (2014)
- Thomas Sowell, intellectuals and Society, Basic Books (2010)
- Rishi Sunak, Too Many University Students are Sold a False Dream, Telegraph (2023)
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David Edgerton, The Shock Of The Old: Technology and Global History since 1900, Profile Books (2019)
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Mervyn King, John Kay, Radical Uncertainty, Bridge Street Press (2021)
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Karl Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde