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Thursday Mar 30, 2023
071 — Stagnation oder Fortschritt — eine Reflexion an der Geschichte eines Lebens
Thursday Mar 30, 2023
Thursday Mar 30, 2023
Ich habe vor drei Jahren einige Episoden (16 und 18) aufgenommen, bei denen ich die Frage stelle, ob wir tatsächlich in einer Zeit bahnbrechender Innovationen oder eher in einer der Stagnation leben. Ich möchte jetzt das Thema nach dieser Zeit nochmals aufgreifen, hinterfragen und vielleicht mit neuem Kontext versehen. Bin ich richtig gelegen?
Ich werde dies mit einer Geschichte beginnen, mit der Geschichte zweier Brüder, Paul (1894 – 1981) und Attila Hörbiger (1896 – 1987). Beide sind in der Mitte der 1890er Jahre geboren und in den 1980er Jahren verstorben. Sie haben also einen großen Teil des 20. Jahrhunderts erlebt und sind Zeugen des Umbruchs der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Attila Hörbiger als bei den Salzburger Festspielen 1947 (Wikimedia Commons)
Ich erzähle eine kurze Geschichte ihres Lebens, wobei nicht im Detail ihr Lebensweg im Zentrum steht, sondern vielmehr am Beispiel ihres Lebens, in welcher Welt sie aufgewachsen sind, gearbeitet, ihre Familien gegründet und ihre letzten Lebensjahre verbracht haben. Ihre Geschichte dient als greifbares Beispiel, welche Veränderungen wir als Gesellschaft erlebt haben, und als Anregung darüber nachzudenken, was vor und nach dem Tod der Brüder passiert ist.
Was also bedeutet Fortschritt im Rahmen eines Lebens? Und, vor allem im Rahmen eines Lebens, das sich von der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert bis in die 1980er Jahre gezogen hat im Vergleich etwa zu meiner bisherigen Lebenszeit die von den 1970er bis heute reicht?
Erleben wir, wie ich in den älteren Episoden diskutiert habe, seit den 1970er Jahren eine Stagnation oder tatsächlich — wie so häufig behauptet — enorme Beschleunigung technischer und gesellschaftlicher Fortschritte?
Sind alle Bereiche von Wissenschaft und Technik gleich zu betrachten? Wie ist die Situation in unterschiedlichen Regionen der Welt?
»Von Anwälten und Ökonomen über Programmierer und Finanz-Manager gilt, deren unproportionaler Gewinn ist für Arbeit, die völlig von den materiellen Realitäten der Welt entkoppelt sind. […]
sie laufen herum mit der neuen Tech—Typen, die in deren Naivität jeden technischen Wandel mit kürzlichen Entwicklungen in Elektronik und vor allem Mobiltelefonen vergleichen«, Vaclav Smil
Was könnte die nähere und mittlere Zukunft bringen? Weitere Stagnation? Ein Durchstarten, weil wir die letzten Jahrzehnte genutzt haben, Know-How aufzubauen, das jetzt erst Anwendung findet? Ein Steampunk-Szenario, wo Versagen in verschiedenen Bereichen und Regionen (die sogar vor die 1960er Jahre zurückfallen) einem enormen Wandel in anderen gegenüberstehen?
Wer wird diese Entwicklungen treiben? Die bisher bekannten oder eher atypische Akteure?
Was sind Gründe für die aktuelle Situation, was können und sollten wir ändern um die Entwicklungen im Griff zu halten?
»Der Spalt zwischen Wunschdenken und Realität ist enorm.«, Vaclav Smil
Referenzen
andere Episoden
-
Episode 65: Getting Nothing Done — Teil 2
-
Episode 64: Getting Nothing Done — Teil 1
-
Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp Blom
-
Episode 18: Gespräch mit Andreas Windisch: Physik, Fortschritt oder Stagnation
-
Episode 16: Innovation und Fortschritt oder Stagnation?
-
Episode 15: Innovation oder Fortschritt?
fachliche Referenzen
- Vaclav Smil, How the World Really Works, Penguin (2022)
- Elon Musk Zitat: Alex Epstein, Fossil Future,Portfolio (2022)
- Kevin Esvelt, Delay, Detect, Defend: Preparing for a Future in which Thousands Can Release New Pandemics (2022)
- USAID Announces New $125 Million Project To Detect Unknown Viruses With Pandemic Potential
- Sam Harris, Recipes for Future Plagues, Conversation with Rob Reid and Kevin Esvelt
- »Heiße Dusche«, Tim Urban with Lex Fridman (2023)
- Brian Potter, When did New York start building slowly? (2023)

Monday Feb 13, 2023
069 — Complexity in Software
Monday Feb 13, 2023
Monday Feb 13, 2023
Ich möchte Sie auf eine Vorlesung hinweisen, die Sie im Zukunft-Denken YouTube-Kanal finden. Der Titel ist: “Complexity in Software — Handle with Care”
Die Vorlesung ist in Englisch und hat Software-Entwicklung und Management im Fokus, betrachtet aber das Thema Komplexität in einem breiteren Sinne und ist insofern auch für nicht-Software-Interessierte von Relevanz.
Wenn Sie an Software wenig interessiert sind — das Video hat Kapitelmarken, überspringen Sie eventuell: “Why is Complexity in Software a Problem?”
Was sind die Themen die in der Vorlesung behandelt werden:
- Was ist Komplexität?
- Was sind zahme und wicked problems?
- Was sind Attraktoren in komplexen dynamisch stabilisierten Systemen?
- Warum wird das Zusammenspiel von Software und anderen gesellschaftlichen Services immer kritischer?
- Was ist Komplexität in Software? Was sind treibende Faktoren, wie kann man Komplexität reduzieren?
- Warum ist Komplexität in Software überhaupt ein Problem?
- Was ist Emergenz, was sind Beispiele für emergentes Verhalten?
Und der letzte Teil der Vorlesung ist relativ generisch in dem Sinne, dass ich versuche zu beschreiben:
- Wie reagieren Menschen in Systemen auf komplexe Probleme
- Welche Reaktionen sinnvoll sein können, unter welchen Umständen und welche nicht zielführend sind
- Welche neuen Management-Paradigmen sollte man überlegen
- Welchen Einfluss spielen Metaphern in unserem Blick auf die technische Welt?
Zum Abschluss führe ich noch kurz in eine für mich sehr faszinierende Idee von Stewart Brand ein, die er Pace Layering nennt. Eine Form von Schichtenmodell der Welt, die unterschiedliche Geschwindigkeiten gegeneinander darstellt und was für uns als Gesellschaft aber auch Techniker und Manager daraus folgt.
Referenzen
Andere Episoden
- Episode 64: Getting Nothing Done
- Episode 42: Gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Blick hinter die Kulissen: Gespräch mit Herbert Saurugg
- Episode 40: Software Nachhaltigkeit, ein Gespräch mit Philipp Reisinger
- Episode 37: Probleme und Lösungen
- Episode 35: Innovation oder: Alle Existenz ist Wartung?
- Episode 31: Software in der modernen Gesellschaft – Gespräch mit Tom Konrad
- Episode 27: Wicked Problems
- Episode 19: Offene Systeme
- Episode 10: Komplizierte Komplexität
Fachliche Referenzen
- siehe YouTube-Video-Beschreibung

Monday Nov 28, 2022

Monday Nov 07, 2022
064 — Getting Nothing Done — Teil 1
Monday Nov 07, 2022
Monday Nov 07, 2022
Titel der heutigen Episode ist »Getting Nothing Done« — warum die höchst-technisierte Gesellschaft der Menschheit (jedenfalls in den Industrienationen) bei wesentlichen Infrastrukturprojekten kaum mehr etwas auf die Reihe bekommt. In dieser Episode möchte ich eine Diskussion über ein sehr wichtiges Thema anstossen, über das ich in der letzten Zeit intensiv nachdenke.
Teilen Sie meine Ansichten, oder nicht? Hat diese Episode Sie zum Nachdenken angeregt? Schreiben Sie mir!
Es gibt auch eine englischsprachigen Artikel (mit Illustrationen) von mir zu diesem Thema in den Referenzen.
Beschäftigt man sich ein wenig mit der Vergangenheit, ist es geradezu atemberaubend, welche — zur damaligen Zeit noch neue — Infrastrukturen wir in kurzer Zeit umsetzen konnten — vom Panamakanal über die Wiener Hochquellwasserleitung bis zum Messmer Plan in Frankreich.
In den letzten Jahren erleben wir allerdings, so mein Argument, geradezu eine bleierne Stagnation, und dies nicht bei »innovativen« Projekten, sondern bei Projekten, die wir hunderte oder tausende Male in der Vergangenheit gebaut haben: Konzerthallen, Brücken, Eisenbahnstrecken, Flughäfen, Kernkraftwerke, Tunnel.
Dieses Problem beschränkt sich nicht auf die »physische« Welt, sondern findet sich in ähnlicher Weise in der virtuellen Welt der Software. Dazu kommt, dass Software/IKT und physische Infrastruktur in immer stärkerer Weise miteinander verbunden sind, was die Problemlage verschärft.
»Die niedrig hängenden Früchte sind größtenteils gepflückt worden, zumindest im Moment. [...] Die Große Stagnation hält an und verschlimmert sich sogar noch, angetrieben von einer zunehmend dysfunktionalen Politik.«, Tyler Cowan
Im ersten Teil versuche ich die Problemlage und Kontext darzustellen und im zweiten Teil Ursachen zu untersuchen, die in fünf Gruppen fallen:
- Enttäuschung über die Digitalisierung und allgemeine Stagnation in Forschung und Technologie
- Regulierung, Bürokratie und Fokusverlust
- Furchtgetriebenes Management und Verrechtlichung der Gesellschaft
- Fokus
- Spezifischer Verlust der Fähigkeit, große Projekte zu realisieren
Zuletzt gebe ich mögliche Pfade an, wie die Situation (in Europa) verbessert werden könnte. Der wesentlichste Aspekt scheint mir aber zu sein, diese Problematik breiter zu diskutieren und zur Kenntnis zu nehmen, und sich nicht in Hype- und Innovations-Marketing-Gerede zu verlieren.
»Der Forschungsaufwand steigt erheblich, während die Forschungsproduktivität stark abnimmt. [...] es dauert etwa 13 Jahre, bis die Forschungsproduktivität um die Hälfte sinkt. Oder anders ausgedrückt: Die Wirtschaft muss ihre Forschungsanstrengungen alle 13 Jahre verdoppeln, nur um die gleiche Gesamtwachstumsrate aufrechtzuerhalten.«, Nicholas Bloom
Der Fokus reicht dabei von erheblichen Qualitätsproblemen in der Wissenschaft bis zu Regulierung und Management-Prinzipien.
Referenzen
Andere Episoden
- Englischer Artikel im (an)sichten Blog
- Episode 18: Gespräch mit Andreas Windisch: Physik, Fortschritt oder Stagnation
- Episode 23: Frozen Accidents
- Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
- Episode 31: Software in der modernen Gesellschaft – Gespräch mit Tom Konrad
- Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann
- Episode 40: Software Nachhaltigkeit, ein Gespräch mit Philipp Reisinger
- Episode 47: Große Worte
- Episode 59 und 60: Wissenschaft und Umwelt
Fachliche Referenzen
- Lee Vinsel, The Innovation Delusion, Currency (2020)
- Years of Delays, Billions in Overruns: The Dismal History of Big Infrastructure, New York Times (2021)
- »Software Crisis«: Software Engineering, Report on a conference sponsored by the NATO Science Committee, Garmisch, Germany, 7th to 11th October 1968
- »Facebook [ist] als datenverarbeitender Apparat so komplex, dass er sich dem Verständnis von innen heraus entzieht« (2022)
- Massive Datenpanne bei Uber: »Sie haben so vollen Zugriff auf Uber« (2022)
- »Ransomware legt US-Pipeline lahm« (2021)
- Syniverse verarbeitet jährlich Milliarden von Textnachrichten, und Hacker hatten jahrelang unbefugten Zugriff auf das System." (2021)
- »Ein Computerhacker hat sich Zugang zum Wassersystem einer Stadt in Florida verschafft und versucht, eine "gefährliche" Menge einer Chemikalie hineinzupumpen, sagen Beamte. [...] Aber ein Arbeiter entdeckte es zufällig und machte die Aktion rückgängig.« (2021)
- Lidl Cancels SAP-introduction after having sunk 500 Million into it
- Robert Gordon, Is US economic growth over? Faltering innovation confronts the six headwinds, Working Paper 18315 (2012)
- Tyler Cowan, The Great Stagnation, Dutton (2011)
- Erik Weinstein and Peter Thiel, The Portal #001 (2019)
- David Graeber im Gespräch mit Peter Thiel "Where did the Future go?" (2020)
- Brian Potter, When did New York start building slowly? (2023)
- Nassim Taleb, Skin in the Game, Penguin (2018)
- Nassim Taleb, What do I mean by Skin in the Game? My Own Version, Medium (2018)
- Gerd Gigerenzer, Risiko, Bertelsmann (2013)
- Marc Andreessen im Gespräch mit Sam Harris, Making Sense #290 (2022)
- David Graeber, The Utopia of Rules, Melville House (2016)
- David Graeber, Bullshit Jobs, Penguin (2019)
- Lukas Feiler erklärt in einer Podiumsdiskussion im Gespräch mit mir

Wednesday Jul 27, 2022
060 — Wissenschaft und Umwelt — Teil 2
Wednesday Jul 27, 2022
Wednesday Jul 27, 2022
Shownotes siehe Teil 1.

Thursday Jul 07, 2022
059 — Wissenschaft und Umwelt — Teil 1
Thursday Jul 07, 2022
Thursday Jul 07, 2022
Schon vor ca. 20 Jahren habe ich Vorträge und Seminare zum Thema Wissenschaft und Umwelt gehalten. Vieles von dem, was ich damals gesagt habe, hat sich bis heute (leider) bestätigt. Diese Episode ist so etwas wie ein Frühjahrsputz für mich:
Wie steht die Einordnung der verschiedenen Ideen und Ansätze der Umweltbewegungen mit-, gegen- und zueinander? Wie steht es zwischen Theorie, Ideologie und Praxis? Werten und Aktivität? Welche Rolle spielt Wissenschaft?
Wo sehen wir begriffliche Verwirrungen? Wie finden wir den Weg von, aber auch der Spalt zwischen Ethik und Praxis?
Diese Episode wird die Themen keinesfalls abdecken, ich sehe es eher als ein Aufwerfen von Bällen, die zum Teil in früheren Episoden, zum Teil in späteren Episoden wieder aufgefangen und genauer betrachtet wurden oder werden sollten.
Welche Ansätze und Ideologien gibt es in der Umweltbewegung?
1. De-Growth (Wachstumskritik)
Wachstumskritik hat eine lange und wechselhafte Tradition, die wenigstens auf Thomas Robert Malthus um 1800 zurückgeht und immer wieder neu interpretiert wurde und wird. Eine moderne Definition der Ziele ist:
»Gerechtes Herunterskalieren von Produktion und Konsum, der das menschliche Wohlbefinden und die ökologischen Bedingungen verbessert«
Wir finden in dieser Gruppe leider aber auch eine nicht zu geringe Zahl an Extremisten, denen auch die radikale Reduktion der Menschheit wünschenswert erscheint um das Ziel zu erreichen, etwa:
»Until such time as Homo sapiens should decide to rejoin nature, some of us can only hope for the right virus to come along.«, David Gräber
2. »Business as Usual«
Wenn wir ehrlich sind, interessiert das Thema Umwelt im Alltag immer noch fast niemanden, jedenfalls dann nicht, wenn es über das Ausrollen von Wohlfühltechnologien und -ideen geht, die dem Einzelnen (scheinbar) wenig Kosten verursachen aber ein gutes Gefühl geben, etwas geleistet zu haben:
»Das Ausrollen von ineffektiven Wohlfühl-Technologien ist dreifach schlecht — abgesehen vom offensichtlichen, dass sie ineffektiv sind, führt es auch dazu, dass der Druck nachlässt etwas wirkungsvolles zu tun, weil ja gehandelt wird, und vielleicht das schlimmste: es lenkt mögliche Ressourcen weg von wichtigeren Bedürfnissen.«, Steven Koonin
3. Eco-Modernismus
Dder mittlerweile 101 jährige James Lovelock in seinem letzten Buch Novacen:
»Das Bestreben nach einer besseren Zeit vor dem Anthropozän ist eine Phantasie. Zunächst einmal, weil es nie eine goldene Zeit frei von Wünschen und Leid gab und zweitens, weil wir, um dorthin zurück zu gelangen, die offensichtlichen Vorteile der Moderne rückgängig machen müssten«
Beim Eco-Modernismus steht der Mensch im Zentrum der Veränderung aber auch der Verantwortung; Reduktion des menschlichen Einflusses auf die Natur durch Entkopplung, Intensivierung und Innovation sind der Anspruch:
»Intensivierung vieler menschlicher Tätigkeiten — im besonderen Landwirtschaft, Energiegewinnung, Forstwirtschaft und Siedlung — mit dem Ziel, weniger Land zu nutzen und weniger in die natürlichen Welt einzugreifen ist der Schlüssel, menschliche Entwicklung von den negativen Einflüssen auf die Umwelt zu entkoppeln«
Eco-Modernisten lehnen radikale Wachstumskritik ab. Selbst Jorgen Randers, der Mitautor der »Grenzen des Wachstums« von 1972, schreibt vor wenigen Jahren:
»Der fundamentale Grund, warum die meisten Menschen Wachstum bevorzugen ist, dass es der einzige Weg ist, den moderne Gesellschaften gefunden haben um drei Probleme effektiv zu lösen: Armut, Arbeitslosigkeit und Pensionen«
Aber können wir glauben, dass wir die Herausforderungen der Zeit alleine mit Technik und Wachstum lösen können? Wie lange kann das gut gehen?
4. Singularisten/Eskapisten & Post-Humanisten
Die Insel oder das Landgut in Neuseeland reicht für viele Milliardäre nicht mehr aus, um sich vor den Katastrophen der Welt zu verstecken. Heute muss es der Mars, Raumstationen oder gar das Verlassen des Sonnensystems sein. Jedenfalls ist das die Vision einiger Vertreter einflussreicher US-Eliten.
Sollte das doch nicht klappen, können wir uns ja in Computer hochladen und virtuell weiterleben. Oder übergeben wir als Menschen gar den Stab an intelligente Maschinen? Wer glaubt an diese Phantasien, beziehungsweise hält sie für eine wünschenswerte Zukunft?
***
Im zweiten Teil dieser Episode stelle ich die Frage, was Philosophie und Ethik zu diesem Themenbereich zu sagen hat? Wer steht eigentlich im Zentrum der Betrachtung, Mensch oder Natur? Sollten wir Deep oder Shallow Ecology betreiben? Wem sollen wir folgen, Deontologen oder Utilitaristen und was ist von der »PAT« Formel zu halten?
Haben die Wachstumskritiker bisher mit ihren Vorhersagen recht behalten, und selbst wenn nicht — was bedeutet dies für die Zukunft? Außerdem: nicht nur die Interessen westlicher Industrienationen zählen:
»Diese verschiedenen Ansätze haben ein gemeinsames Design, das ökonomische Ziel, die Kosten des Klima-Aktivismus zu sozialisieren und die Armen die Rechnung für die Reichen zahlen zu lassen.« und
»Die Weiterführung globaler Armut und niedriger Einkommen kann nicht die Klima-Strategie der reichen Welt sein.«, Samir Saran
Welche Rolle spielt Ideologie und wie ist die Lücke zwischen Ideologie, Wissenschaft und tatsächlicher Umsetzung zu überbrücken. Gerade unter Aktivisten erleben wir oft ein hohes Maß an Motivation, Kritik an Missständen aber nur sehr selten kohärente und realistische Ideen, wie die Situation verbessert werden kann.
»Es zeigt sich, dass in den fortgeschrittensten Phasen der Idiotie der Ideenmangel mit Ideologieüberschuss kompensiert wird.«, Carlos Ruiz Zafon, eine Figur in Das Spiel der Engel
Oftmals scheint die Medizin des Aktivismus schlimmere Folgen zu haben als die Krankheit — helfen uns die zahlreichen NGOs also, das Problem zu lösen, oder richten sie oftmals mehr Schaden als Nutzen an?
»Tausende Kuhhörner, vergraben auf einem Acker, sollen für eine gute Ernte sorgen. Für Demeter-Landwirte ein gängiges Ritual. Ein Verband zwischen Biolandwirtschaft und Esoterik.«, ZDF-Bericht zur Bio-Landwirtschaft zwischen Ökologie und Esoterik
Dass es nicht nur um nutzlose Esoterik geht, sondern dass inkohärente Öko-Ideen auch massive Schäden anrichten können, zeigt der radikale Versuch in Sri Lanka auf eine vermeintlich grüne Landwirtschaft umzusteigen:
»Die Befürworter von Bio-Landbau, überzeugt von naturalistischen Fehlschlüssen und argwöhnisch über moderne landwirtschaftliche Forschung, können keine plausible Lösung anbieten. Was sie anbieten, wie das Disaster in Sri Lanka offen gelegt hat, ist Elend.«, Ted Nordhaus
Das Experiment in Sri Lanka wurde nach wenigen Monaten beendet, weil die Folgen verheerend waren.
Ein anderes Beispiel: Greenpeace protestiert zur gleichen Zeit in England gegen ein Solarkraftwerk und in Frankreich gegen Kernkraft. Wer kann das rational nachvollziehen und unterstützen?
Wenig hinterfragte Ideologisierung finden wir aber auf allen Seiten. Wie kommen wir aus diesem Patt heraus? Kann es gelingen, die vernünftigen Ideen aller Seiten zusammenführen und die wenig hilfreichen (aber lauten) Vertreter beider Seiten zu ignorieren? Es gibt gute Beispiele von Aktivisten, die tatsächlich zuhören und ihre Meinung ändern, wenn sie von besseren Argumenten überzeugt werden, wie auch Episode 46 mit der Aktivistin Zion Lights zeigt! Nehmen wir uns diese zum Vorbild.
Zum Abschluss: eine ganze Reihe von Begriffen tauchen in diesem Kontext immer wieder auf, die zumindest hinterfragt werden sollten, eine kleine Auswahl diesmal:
- Wissenschaft und Szientismus
- Probleme vs. Dilemmata
- »Umwelt«
- Naturalistischer Fehlschluss
- Vorsorge Prinzip
Zusammenfassend: wie geht es weiter? Die Zeit, wo wir uns als passive, von Natur oder Gott getriebenen Lebewesen sehen konnte ist vorbei:
»Wir können uns wahrscheinlich kaum mehr so etwas wie Naturphänomene vorstellen, die im Sinne der klassischen Theodizeefrage vollständig auf Natur als Gegenkonzept zu Kultur oder Gesellschaft ausgelagert werden können. Selbst wenn ein Komet auf die Erde zurasen würde, […] würden wir das nicht alleine einem externen Schicksal zurechnen, sondern die Katastrophe unserem Mangel an Abwehrstrategien zurechnen«, Armin Nassehi
Wie kommen wir zu einer systemischen Sicht, zu einem Blick, die »Gaia« als ganzes betrachtet, das menschliche Wohlbefinden nicht hinten anstellt und trotzdem nicht zur Katastrophe führt?
»Catastrophists are wrong, time after time. […] And techno-optimists, who promise endless near-miraculous solutions, must reckon with a similarly poor record.«, Vaclav Smil
Referenzen
Andere Episoden
- Episode 7 und 8: Alles wird besser... oder nicht?
- Episode 15: Innovation oder Fortschritt
- Episode 16: Innovation oder Forrtschritt oder Stagnation?
- Episode 18: Fortschritt oder Stagnation: Gespräch mit Andreas Windisch
- Episode 39: Follow the Science
- Episode 42: Gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Blick hinter die Kulissen: Gespräch mit Herbert Saurugg
- Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp Blom
- Episode 46: Activism, a Conversation with Zion Lights
-
Episode 62: Wirtschaft und Umwelt, ein Gespräch mit Prof. Hans-Werner Sinn
-
Episode 70: Future of Farming, a conversation with Padraic Flood
Fachliche Referenzen
- Extinction Rebellion Website
- Degrowth US Readings
- Jason Hickel, Degrowth: A Call for Radical Abundance
- Hating Humanity Won’t Get You Canceled - WSJ
- Why Silicon Valley billionaires are prepping for the apocalypse in New Zealand, The Guardian (2018)
- Steven Koonin, Unsettled, What Climate Science Tells Us, What It Doesn't, and Why It Matters
- Patrick Curry, Ecological Ethics, An Introduction, Polity Press (2006)
- Stanford Encyclopaedia of Philosophy, Environmental Ethics
- Samir Saran, Enough Sermons on Climate, It’s Time for ‘Just’ Action
- Peter Treue, Blut und Bohnen, Der Paradigmenwechsel im Künast-Ministerium ersetzt Wissenschaft durch Okkultismus, FAZ (2002)
- Cornelius Janzen, Ritual der Demeter-Landwirte: Warum sie Kuhhörner in der Erde vergraben, ZDF (2021)
- Demeter, »biodynamische« Präparate
- Mark Lynas, Finland’s Green Party endorses nuclear power (2022)
- Mark Lynas, Seeds of Science, Why We Got It So Wrong On GMOs (2020)
- James Lovelock, Novacene, The coming age of hyper intelligence
- Jorgen Randers, 2052 A global forecast for the next forty years (2012)
- Ted Nordhaus, Sri Lanka's Organic Farming Experiment Went Catastrophically Wrong, Foreign Policy (2022)
- Der Mensch - das Mängelwesen, NZZ (2004)
- The Doomslayer. The environment is going to hell, and human life is doomed to only get worse, right? Wrong. Conventional wisdom, meet Julian Simon, the Doomslayer. Wired (1997)
- Population, Affluence, and Technology, Penn State College of Earth and Mineral Sciences
- Roger Pielke Jr., More on the Iron Law of Climate Policy (2010)
- Carlos Ruiz Zafón, eine Figur in Das Spiel des Engels
- Vaclav Smil, How the World Really Works, Penguin (2022)

Monday May 23, 2022
057 — Konservativ UND Progressiv
Monday May 23, 2022
Monday May 23, 2022
Das Theme der heutigen Episode ist: Konservativ und Progressiv, die Betonung liegt dabei auf dem und; wie hoffentlich nach dieser Episode klarer sein wird.
Rutger Bregmans TED-Video über das bedingungslose Grundeinkommen hat mich »getriggert« über einen Themenbereich zu sprechen, der in anderen Episoden schon angekratzt wurde. Mir scheint es aber wesentlich zu sein, dieses Thema von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten. Außerdem ist die politische Dimension der Lagerbildung in sogenannte konservative und progressive Gruppen bisher noch nicht konkret angesprochen worden.
Wie verändern wir die Welt, sodass gerade nicht das bekannte Zitat »Das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint« zum Einsatz kommen muss?
Wie kommunizieren wir komplexe Probleme der Zeit in angemessener Weise?
Wie können wir zu einer Diskurs-Kultur kommen, die nicht an politischen Grenzen und Lagern zerschellt?
Was ist die Rolle von Wissenschaft? Sollte Wissenschaft und Aktivismus voneinander getrennt sein, weil Wissenschafter sonst das Risiko eingehen ihre oftmals enge Sicht zu überschätzen und sich, wie immer öfter zu beobachten ist, in fast religiösen Eifer steigern und damit ihre Glaubwürdigkeit verspielen.
Was ist das TED-Problem?
»The world out there is a complex place, and those who want “easiness” can always gorge themselves on TED talks.«, Evgeny Morozov
Kein komplexes Problem der Welt ist mit einfachen Mitteln und Ideen zu lösen. Es ist relativ einfach auf die Schwächen bestehender Systeme hinzuweisen, viel schwerer aber diese durch etwas besseres zu ersetzen:
»The high point of techno-democratic optimism was arguably 2011, a year that began with the Arab Spring and ended with the global Occupy movement.«, Jonathan Haidt
Welche Rolle spielen in diesem Dilemma konservative und progressive Ideen?
Underlying idea of conservatism: »There is an intuition, even if they don't think of it that way logically, that almost everything did not make it through evolution in terms of social systems. And the few things that did weren't the things people thought would. So there is a lot of embedded wisdom that wasn't understood, it was hard earned. And we want to preserve that and not break it because we think we understand it well enough and we might not.«
»Progressive intuition is that we deal with fundamentally novel situations evolution did not yet figure out and we need innovation.«
»And of course the synthesis of this dialectic is: we see new innovation that is commensurate with that what should be conserved. And not everything deserves to be conserved«, Daniel Schmachtenberger
Rutger Bregman hat Recht, wenn er sagt:
»I'm a historian. And if history teaches us anything, it is that things could be different. There is nothing inevitable about the way we structured our society and economy right now. Ideas can and do change the world.«
Die andere Seite aber spricht der britische Philosoph John Gray an:
»The world in which we find ourselves at the start of the new millennium is littered with the debris of utopian projects«
Referenzen
Andere Episoden
- Episode 7 und Episode 8: Alles wird besser... oder nicht?
- Episode 29: Fakten oder Geshichten? Wie gestalten wir die Zukunft?
- Episode 37: Probleme und Lösungen
- Episode 39: Follow the Science?
- Episode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?
- Episode 47: Große Worte
Fachliche Referenzen
- TED-Talk von Rutger Bregman: Poverty isn't a lack of character; it's a lack of cash (2017)
- Jesse Singal, The Quick Fix: Why Fad Psychology Can't Cure Our Social Ills (2021)
- Evgeny Morozov, To Save Everything, Click here (2013)
- Jonathan Haidt, Why the Past 10 Years of American Life Have Been Uniquely Stupid, The Atlantic (2022)
- John Gray, Black Mass, Apocalyptic Religion and the Death of Utopia (2011)
- Robert Greene, 48 laws of power (2010)
- How Sri Lanka's shifts to organic farming left it in the manure, The Times (2022)
- In Sri Lanka, Organic Farming Went Catastrophically Wrong. A nationwide experiment is abandoned after producing only misery. Foreign Policy (2022)
- Dark Horse Podcast, Brett Weinstein, Daniel Schmachtenberger (2021)

Thursday Apr 07, 2022
055 — Strukturen der Welt
Thursday Apr 07, 2022
Thursday Apr 07, 2022
Dies ist eine Episode mit großer Tiefenschärfe, wenn man so sagen möchte; vielleicht eine, die mehr Fragen als Antworten aufwirft. Lassen Sie sich trotzdem auf das Thema ein, denn ich glaube, dass wir auf die Gedanken dieser Episode in der Zukunft zurückkommen werden!
Strukturen bestimmen unser Leben. Aber welche? Wie sind sie entstanden? Sind sie geplant, zufällig, veränderbar, unveränderlich?
Würde ein Außerirdischer unseren Planeten zum ersten Mal besuchen, welche Strukten würde er vorfinden, welche würden ihn vielleicht überraschen? In dieser Episode spreche ich im wesentlichen über drei beziehungsweise vier verschiedene Strukturen
- Alles was im weiteren Sinne »geologisch« bestimmt ist
- Leben auf unserer Erde
- Menschliche Artefakte
- Die Möglichkeit völlig neuartiger Arten menschlicher Artefakte in der Zukunft
Dabei mache ich einen Ausflug in die Ideen der Gaia-Hypothese von James Lovelock, der Frage, was Leben ist, gibt es überhaupt eine allgemein akzeptierte Definition, und warum ist diese Frage ziemlich entscheidend?
»Leben erscheint als geordnetes und gesetzmäßiges Verhalten der Materie, das nicht ausschließlich auf deren Neigung beruht, von Ordnung zu Unordnung überzugehen«, Erwin Schrödinger, Was ist Leben?
Warum entscheiden sich menschliche Artefakte fundamental von den anderen beiden genannten Strukturen?
»Life is the universe developing a memory«, Lee Cronin
Zuletzt stelle ich die wesentliche Frage, wie, nach welchem »Plan« die jeweiligen Strukturen geformt werden, wo dieser »Plan« gespeichert ist und welche wesentlichen Konsequenzen das für uns Menschen jetzt und in der Zukunft hat.
»Solang der Wirt nur weiter borgt // Sind sie vergnügt und unbesorgt.« (Mephisto)
Referenzen
andere Episoden
- Episode 17: Kooperation
- Episode 21: Der Begriff der Natur, oder: Leben im Anthropozän
- Episode 22: Biodiversität und komplexe Wechselwirkungen – Gespräch mit Prof. Franz Essl und Episode 33: Naturschutz im Anthropozän – Gespräch mit Prof. Frank Zachos
- Episode 23: Frozen Accidents
- Episode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?
- Episode 48: Evolution, ein Gespräch mit Prof. Erich Eder
- Episode 49: Wo denke ich? Reflexionen über den »undichten« Geist
fachliche Referenzen
- Erwin Schrödinger, Was ist Leben / What is Life (1951)
- Rupert Riedl, Die Ordnung des Lebendigen (1973)
- Stanford Encyclopedia of Philosophy, Life
- Lee Cronin im Lex Friedman Podcast #269: Origin of Life, Aliens, Complexity and Consciousness (2022)
- Richard David Precht, Erkenne die Welt: Geschichte der Philosophie 1 (2015)

Sunday Jan 23, 2022
052 — Reflexionen
Sunday Jan 23, 2022
Sunday Jan 23, 2022
Ich habe mittlerweile über 50 Episoden erstellt, was durchaus ein Anlass zu einer ersten kritischen Reflexion sein darf. Vor Weihnachten habe ich zahlreiche Zuschriften bekommen, die mich alle sehr gefreut haben. Dabei war auch das eine oder andere, was mich nachdenklich gemacht hat, und das mich zusätzlich zu dieser Episode motiviert hat.
Vielen Dank jedenfalls an dieser Stelle an alle, die mir schreiben. Ich versuche allen zu antworten, und freue mich über weitere Kommentare, Anregungen, Kritik.
Ich habe durch das machen der Podcasts selbst viel dazugelernt. Gesehen, dass es sehr schwer ist, Dinge angemessen einzuordnen. In dieser Reflexion versuche ich nochmals übergreifende Themen aufzunehmen:
- Realismus und Bescheidenheit,
- die Rolle der Wissenschaft,
- Wunschdenken,
- Unsicherheit und Verantwortung,
aber vor allem auch die Frage, ob man überhaupt noch positiv, mit Hoffnung in die Zukunft blicken soll.
Referenzen
- Episode 11: Ethik, oder: Warum wir Wissenschaft nicht den Wissenschaftern überlassen sollten!
- Episode 17: Kooperation
- Episode 25: Entscheiden unter Unsicherheit
- Episode 27: Wicked Problems
- Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
- Episode 30: (Techno-)Optimismus – ein Gespräch mit Tim Pritlove
- Episode 36: Energiewende und Kernkraft, ein Gespräch mit Anna Veronika Wendland
- Episode 37: Probleme und Lösungen
- Episode 39: Follow the Science?
- Episode 41: Intellektuelle Bescheidenheit: Was wir von Bertrand Russel und der Eugenik lernen können
- Episode 42: Gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Blick hinter die Kulissen: Gespräch mit Herbert Saurugg
- Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp Blom
- Episode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?
- Episode 46: Activism, a Conversation with Zion Lights
- Episode 47: Große Worte
- Episode 50: Die Geburt der Gegenwart und die Entdeckung der Zukunft — ein Gespräch mit Prof. Achim Landwehr
- Episode 51: Vorbereiten auf die Disruption? Ein Gespräch mit Herbert Saurugg und John Haas

Wednesday Nov 10, 2021
049 — Wo denke ich? Reflexionen über den »undichten« Geist.
Wednesday Nov 10, 2021
Wednesday Nov 10, 2021
Über lange Zeit war die Ansicht geläufig, dass eines der wesentlichen Unterscheidungsmerkmale zwischen Tier und Mensch beim Werkzeuggebrauch liegt. Diese Idee, wie viele andere eindimensionale Unterscheidungen zwischen Tier und Mensch, scheinen aber wissenschaftlich nicht haltbar zu sein. Dennoch ist der Gebrauch und die Schaffung von Werkzeugen einer der konstituierenen Faktoren moderner Gesellschaften.
Manche Artefakte sind aber keine Werkzeuge im klassischen Verständnis, sondern scheinen vielmehr unser Denken zu erweitern. Damit stellt sich die etwa von Andy Clark und David Chalmers aufgeworfene Frage:
»Wo endet der Geist und wo beginnt der Rest der Welt?«
Andy Clark sieht dies in seinem Buch Being There etwas bildlich so:
»Der Geist ist ein undichtes Organ, er entflieht stetig seinen natürlichen Beschränkungen und mischt sich schamlos mit dem Körper und der Welt.«
Schon aus der Antike kennen wir die Ansicht, dass Körper und Geist in einer wesentlichen Wechselwirkung stehen, so schreibt Juvenal:
»Mens sana in corpore sano«, »Ein gesunder Geist steck in einem gesunden Körper.«
Aber in einem klassischen philosophischen Artikel aus dem Jahr 1998 konkretisieren Clark und Chalmers anhand einer Reihe von Beispielen die These, dass das Denken auch immer mehr unsere Umgebung einbezieht.
In dieser Folge versuche ich weniger die komplizierte philosophische Diskussion zu erfassen als mehr die Frage, welche Folgen diese Idee für unsere moderne Gesellschaft hat. Warum ist es wünschenswert, die natürlichen Beschränkungen unseres »biologischen Geistes« zu überwinden?
Wir werden in dieser Folge feststellen, dass wohl fast alle komplexen Prozesse unserer Gesellschaft ohne diesen »ausfließenden Geist« kaum vorstellbar wären.
Aber, wie so oft, gibt es auch Risiken oder Seiteneffekte, derer man sich bewusst sein sollte.
- Was bedeutet dies etwa für das Selbstverständnis und die Fähigkeiten des Menschen, das Ich, das Selbst?
- Wenn wir erweiterte Kognition erleben, wo sich die Denkprozesse mehrerer Menschen überschneiden, was hat dies für Folgen?
- Was bedeutet dies für die Komplexität und Resilienz unserer Gesellschaft uns so manchen abenteuerlicher Ideen, wie der Kolonialisierung des Weltraums, um ein extremes Beispiel zu nennen?
Referenzen
Andere Episoden
- Episode 9: Abstraktion: Platos Idee, Kommunismus und die Zukunft
- Episide 10: Komplizierte Komplexität
- Episode 17: Kooperation
- Episode 32: Überleben in der Datenflut – oder: warum das Buch wichtiger ist als je zuvor
Fachliche Referenzen
- Andy Clark, David Chalmers, The Extended Mind, Analysis 58.1. (1998)
- Andy Clark, Being There, Bradford (1998)
- Externalism about the mind, Stanford Encyclopedia of Philosophy
- Henry David Thoreau, Journal 1851
- Watson und Crick — (an)sichten Artikel: James Watson, Die Doppel-Helix, Die Struktur der DNS Teil 1 (Watson und Crick) und Teil 2 (Die Doppelhelix)
- Mark Rowlands, Extended Mentality (YouTube)
- Leonard E. Read, I, Pencil
- Annie Murphy Paul, The Extended Mind
- GitHub Copilote
- Jonathan Haidt, How Social Media Is Changing Social Networks, Group Dynamics, Democracies & Gen Z
- Nicholas Christakis, Connected, Harper Collins (2021)