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5 days ago
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Der wunderbare Titel der heutigen Episode lautet: »Die Natur kennt feine Grade«. Leider stammt er nicht von mir, sondern ist der Titel des neuen Buches meines heutigen Gasts, Prof. Frank Zachos. Aufmerksame Hörer werden sich an Frank erinnern, dazu aber mehr später.
Frank Zachos ist seit 2011 Wissenschaftler am Naturhistorischen Museum in Wien und außerdem externer Professor an der Universität in Bloemfontein in Südafrika. Er hat Biologie, Philosophie und Wissenschaftsgeschichte studiert und beschäftigt sich außer mit Zoologie und Evolutionsbiologie auch mit theoretischen und philosophischen Aspekten der Biologie.
In dieser Episode beschäftigen wir uns mit der Frage, welche Beiträge Naturwissenschaft im Allgemeinen und Biologie im Besonderen bei fundamentalen Fragen des Menschseins leisten kann. Wir beginnen dabei mit den bekannten Kant'schen Fragen:
- Was kann ich wissen? (Erkenntnistheorie)
- Was darf ich hoffen? (Religionsphilosophie)
- Was soll ich tun? (Ethik / Moralphilosophie)
- Was ist der Mensch? (Anthropologie im weitesten Sinne)
Und zu allen Fragen gibt es, wir wir erkunden werden, eine biologische Dimension. Zahlreiche Fragen werden aufgeworfen: Wie unterscheiden sich Mensch und Tier? Welche Rolle spielt Evolution in den verschiedensten Bereichen unseres Lebens, von der Biologie, über die Erkenntnis bis zur Kultur? Was können wir für Moral und Ethik von der Biologie lernen? Was ist die evolutionäre Erkenntnistheorie (die besonders auch in Österreich wichtige Vertreter hatte)? Wir blicken hier zurück auf Konrad Lorenz und Rupert Riedl.
Kann man der Philosophie in den Naturwissenschaften entkommen, oder holt sie uns immer ein?
»Man kann die Philosophie ignorieren, man kann ihr aber nicht entkommen«
Was ist der Unterschied zwischen unwissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Fragestellungen? Was ist metaphysischer Realismus, und warum lässt sich dieser wissenschaftlich nicht begründen. Welche Rolle spielt systemisches Denken in Ergänzung zum Reduktionismus für die komplexen Herausforderungen der Zeit und warum kann biologisches Denken ebenfalls hilfreich sein?
»Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist herauszutreiben,
Dann hat er die Teile in seiner Hand,
Fehlt, leider! nur das geistige Band.«,
Goethe, Faust I
Behaupten wir oft mehr zu wissen und zu verstehen als wir wirklich tun? Warum ist intellektuelle Bescheidenheit gerade heute von zentraler Bedeutung.
»Die Wissenschaft ist gewissermaßen Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden«
Gibt es Kränkungen der Menschheit durch Wissenschaft? Gibt es bei manchen oder gar vielen Menschen eine Art der Realitätsfurcht?
Was hat »Follow the Science« ausgelöst, also vor rund 100 Jahren Euthanasie und die Verbesserung der Erbsubstanz des Menschen als Stand des Wissens galt?
»Wann immer man Moral mit wissenschaftlichen Erkenntnissen letztbegründen will, wird es ganz gefährlich«
Frank erinnert dabei wieder an Kant:
»Es gibt kein Sollen in der Natur.«
Womit sich die Frage stellt, was ein naturalistischer Fehlschluss ist, und wie wir ihn vermeiden können?
»Wer zwingt uns natürlich zu sein?«
Oder wie es Hans Rosling ausdrückt:
»Have you heard people say that humans used to live in balance with nature? […] There was a balance. It wasn’t because humans lived in balance with nature. Humans died in balance with nature. It was utterly brutal and tragic.«
Kehren wir zurück zur Erkenntnis: was können wir aus der Biologie über Erkenntnisfähigkeit lernen? Konkreter gedacht am Beispiel der evolutionären Erkenntnistheorie sowie den Kant'schen a prioris.
»Das was im Idividuum a priori ist (also von Geburt an), ist eigentlich doch etwas erlerntes, aber nicht individuell erlernt, sondern evolutionär/stammesgeschichtlich. Das Kant'sche a priori wird in der evolutionären Erkenntnistheorie zu einem phylogenetischen oder evolutionären a posteriori.«
Nicht zuletzt diskutieren wir auch über die Bedeutung von Religion für die Menschen. Verschwindet Religion langsam, wenn unsere Erkenntnisse über die Welt zunehmen, oder passiert eher das Gegenteil?
Und damit reißen wir die Fragen die in Franks Buch aufgeworfen werden, nur an. Daher an alle Zuhörer dieser Episode, die Empfehlung, sich das Buch zu besorgen und weiterzulesen.
»Wir können mittlerweile Dinge beschreiben, die wir uns gar nicht mehr vorstellen können«
Referenzen
Frank Zachos
Andere Episoden
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Episode 118: Science and Decision Making under Uncertainty, A Conversation with Prof. John Ioannidis
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Episode 106: Wissenschaft als Ersatzreligion? Ein Gespräch mit Manfred Glauninger
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Episode 98: Ist Gott tot? Ein philosophisches Gespräch mit Jan Juhani Steinmann
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Episode 92: Wissen und Expertise Teil 2
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Episode 85: Naturalismus — was weiß Wissenschaft?
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Episode 83: Robert Merton — Was ist Wissenschaft?
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Episode 75: Gott und die Welt, ein Gespräch mit Werner Gruber und Erich Eder
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Episode 55: Strukturen der Welt
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Episode 48: Evolution, ein Gespräch mit Erich Eder
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Episode 41: Intellektuelle Bescheidenheit: Was wir von Bertrand Russel und der Eugenik lernen können
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Episode 33: Naturschutz im Anthropozän – Gespräch mit Prof. Frank Zachos
Fachliche Referenzen
- Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft (1781)
- Immanuel Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können (1783)
- Konrad Lorenz, Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, Piper (1996)
- Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)
- Rupert Riedl, Strukturen der Komplexität: Eine Morphologie des Erkennens und Erklärens, Springer (2000)
- Johann Wolfgang von Goethe, Faust I (1808)
- Hans Rosling, Factfulness, Sceptre (2018)
- Konrad Lorenz Artikel: Die Lehre Kants a priori im Lichte der modernen Biologie.
-
Dave Grossman, On Killing, Back Bay Books (2009)
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