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2 days ago
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Der Titel dieser kurzen Episode ist »Nicht einmal die Schweiz ist neutral...«, was können wir dann von Wissenschaftern, Journalisten und anderen öffentlichen Denkern und Kommentatoren erwarten? Es ist aufs Neue eine Episode die zum Nachdenken und Widerspruch anregen soll.
Der Auslöser dieser Episode ist ein Tweet, wo mir vorgeworfen wurde, ich würde meiner Glaubwürdigkeit schaden, weil ich eine bestimmte Position in einer Sachfrage vertrete und einen diesbezüglichen Tweet retweetet hätte. Es geht hier nicht um diese Sache an sich, sondern um die dahinterliegende Frage, die ich für gerechtfertigt halte.
Zunächst einmal stellt sich die Frage: Ist Neutralität überhaupt ein Ziel?
Noch grundsätzlicher gedacht: Niemand ist neutral. Damit haben wir eine Überschneidung mit dem Titel der letzten Episode. Sie erinnern sich vielleicht an den Kohlenkeller. Das Zitat von Karl Popper lautete:
»Wissenschaft ist, wenn man schwarz gekleidet in einem dunklen Kohlenkeller nach einer schwarzen Katze sucht, von der man gar nicht weiß, ob sie existiert.«
Wie sollte eine solche Neutralität auch aussehen? Wozu dürfte ich mich äußern? Ist Neutralität auf der individuellen Ebene in Wahrheit unmöglich?
An dieser Stelle möchte ich wieder zwei meiner Lieblingszitate von Karl Popper aus dem Buch »Auf der Suche nach einer besseren Welt« aus dem Jahr 1987 bringen:
»Klarheit ist ein intellektueller Wert an sich; Genauigkeit und Präzision aber sind es nicht.« und »Wir dürfen nie vorgeben zu wissen, und dürfen nie große Worte gebrauchen«
Leider wird das oftmals nicht gemacht und Popper folgert:
»Das Verfahren – wo die Argumente fehlen, da ersetze man sie durch den Wortschwall – war erfolgreich.«
Wann und wie sollte man sich also in der Öffentlichkeit äußern? Welches Risiko eingehen? Verliert man Freunde oder Kollegen, wenn man seine Ansicht äußert? Was sagt das über unsere Gesellschaft? Sind wir in Geiselhaft einer kleinen, aber aggressiven und illiberalen Elite?
»When you are the smartes person in the room, you are in the wrong room.«
Aber es gibt nicht nur die individuelle Ebene. Gibt es einen fundamentalen und wichtig zu verstehenden Unterschied zwischen Individuum und Organisation/Gruppe? Was sollten wir hier bedenken?
»Strongly held convictions that are prior to research often seem to be a precondition for success in the sciences.«, Thomas S. Kuhn
Die Suche nach Erkenntnis und Wahrheit ist ein ewiger Kampf. Ein Kampf, der sich nicht delegieren lässt. Nur Diktatoren behaupten, dieses Problem lösen zu können; behaupten Organisationen zu haben, die Missinformation (was immer das konkret bedeuten soll) erkennen und verhindern.
Ich bin davon überzeugt, dass autoritäre, paternalistische und totalitäre Ideen immer schreckliche Folgen haben. Niemand ist neutral, niemand hat die Wahrheit gepachtet. Versuchen wir also, unsere unterschiedlichen Ansichten fundiert und nachvollziehbar darzustellen und in den kritischen Diskurs zu gehen.
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 126: Schwarz gekleidet im dunklen Kohlekeller. Ein Gespräch mit Axel Bojanowski
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Episode 121: Künstliche Unintelligenz
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Episode 118: Science and Decision Making under Uncertainty, A Conversation with Prof. John Ioannidis
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Episode 117: Der humpelnde Staat, ein Gespräch mit Prof. Christoph Kletzer
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Episode 116: Science and Politics, A Conversation with Prof. Jessica Weinkle
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Episode 106: Wissenschaft als Ersatzreligion? Ein Gespräch mit Manfred Glauninger
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Episode 96: Ist der heutigen Welt nur mehr mit Komödie beizukommen? Ein Gespräch mit Vince Ebert
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Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
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Episode 84: (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
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Episode 1: Zukunft Denken – eine gemeinsame Reise
Fachliche Referenzen
- Karl Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt (1987)
- Thomas S. Kuhn, The Function of Dogma in Scientific Research, in A.C. Crombie, ed. Scientific Change: Historical Studies in the Intellectual, Social and Technical Conditions for Scientific Discovery and Technical Invention, From Antiquity to the Present. New York: Basic Books, pp. 347-69. (1963)
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