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Monday Nov 20, 2023
084 — (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
Monday Nov 20, 2023
Monday Nov 20, 2023
Der heutige Gesprächspartner ist wieder Jan David Zimmermann, was mich sehr freut! Jan ist Autor, Journalist und Wissenschaftsforscher, hat auch gerade ein neues und äußerst empfehlenswertes Buch herausgebracht — Lethe, Vom Vergessen des Totalitären. Außerdem ist er Redakteur beim Stichpunkt-Magazin.
Das heutige Thema ist »(Epistemische) Krisen?«.
Eine Anmerkung vorweg: wir haben die Episode vor dem Hamas-Terroranschlag aufgenommen. Wir beide sind von der darauf folgenden Welle des Antisemitismus in Europa, den USA und Australien zutiefst schockiert. Besonders erschreckend ist daran natürlich die Tatsache, dass zahlreiche antisemitische und unfassbar inhumane Äußerungen von Personen, die zuvor als Intellektuelle bezeichnet wurden, stammen — Personen, die an Unis unterrichten, in Medien arbeiten, oder in politischen Funktionen tätig sind. Hier findet sich leider wir ein Thema bestätigt, das ich in vergangenen Episoden angesprochen habe und auch in zukünftigen Episoden thematisieren werde: einen bedrückenden Verlust an intellektueller Redlichkeit und Qualität in wesentlichen gesellschaftlichen Institutionen wie etwa Universitäten.
Aber selbst wenn wir später aufgenommen hätten, hätte ich dieses Thema ohnedies noch nicht im Podcast aufgreifen wollen. Auch wenn die Eckpunkte dieses Konfliktes sehr klar sind, viele Details und Folgen sind es nicht. Den Grund habe ich in früheren Episoden schon mal erklärt: dieser Podcast beschäftigt sich ganz bewusst nicht mit aktuellen Themen. Ich möchte hier nicht im medialen Rennen um die knalligste Spekulation beteiligen. In der heutigen Medienlandschaft dominiert das Rauschen und erst, wenn der Lärm leiser geworden ist, oft nach einigen Jahren, kann man anfangen, solche Themen vernünftig und in der Tiefe aufzuarbeiten.
Daher habe ich auch erst in diesem Jahr begonnen, Covid als Thema langsam aufzugreifen und weitere Folgen sind in Vorbereitung.
Aber zurück zu dieser Episode: Was ist eine (epistemische) Krise? Mit welchen Transformationen haben wir seit 2020 zu tun? Fallen wir von einer Krise in die nächste, oder doch nicht? Warum ist der Krisenbegriff selbst schwierig? Wer definiert eigentlich, was eine Krise ist und wie groß sich diese darstellt, denken wir an die stete Aufrüstung der Worte um noch Gehör zu finden: zur gleichen Zeit, wie die IPCC-Szenarien mit dem letzten Bericht optimistischer werden, wird die Sprache aufgerüstet, aus dem Klimawandel wird die Klimakrise und nun die Klimakatastrophe. Was folgt als Nächstes?
Und die Krisen machen vor sich selbst nicht halt, denn diejenigen, die die Krisen ausrufen, unsere Institutionen und Universitäten, stecken selbst in einer schweren Krise. Wir erleben also vermeintlich multilple Krisen, und trotzdem fällt es der Gesellschaft schwer sich auf gemeinsame Momente zu einigen!
Ein Kristallisationpunkt des Diskurses ist das Intenet? Aber welche Rolle spielt es: ist es totalitär und radikal, verdummend oder eher das Gegenteil? Wird gar die Komplexität der Welt heute besser gespiegelt als je zuvor, nur gefällt dies manchen nicht, die sich zuvor in der Deutungshoheit gesehen haben?
Wie kann man der Gesellschaft komplexe Verhältnisse vermitteln?
“If you’re not confuse you’re not paying attention”, Tom Peters
Oder ist die Komplexität vielleicht nur ein Auswuchs, eine Täuschung der Verwirrungen des postmodernen Relativismus? Wer kann urteilen, oder besser: wem trauen wir Urteilskraft zu?
Intellektuelle Bescheidenheit und Umgang mit Fehlern und Fehleinschätzungen scheinen immer wesentlicher zu werden und sind dennoch selten zu finden.
»Das ist das Prinzip der dauernden Fehlerkorrektur: die Methode, dauernd nach Fehlern zu suchen und frühzeitig kleine und beginnende Fehler zu korrigieren. Diese Methode der rechtzeitigen Fehlerkorrektur zu verfolgen ist nicht nur eine Weisheitsregel, sondern geradezu eine moralische Pflicht: Es ist die Pflicht zur dauernden Selbstkritik, zum dauernden Lernen, zu dauernden kleinen Verbesserungen unserer Einstellung, unserer Urteile – auch der moralischen – und unserer Theorien. Hier wird das Können zum Sollen: wir können aus unseren Fehlern lernen; darum ist es unsere Pflicht, aus unseren Fehlern zu lernen.«, Karl Raimund Popper
Kann Selbstkritik als moralische Pflicht gelten? Wie sieht es mit Heinz von Foersters Beobachtung zweiter Ordnung aus, und welche Rolle spielt das ständige Reframen eigentlich klarer Sachverhalte? Müssen wir die Krise überwinden oder führt sie ohnedies zu neuen Bedingungen, die besser sind als zuvor?
Wie sieht es mit der sozialen Regulierung von Wissensformen aus, anders gesagt, was können wir von Seiten der wissensoziologischen Diskussion lernen? Gibt es so etwas wie illegitimes Wissen? Wie ist das Verhältnis zwischen Experten/Wissenschaftern und Politik?
Wir gehen dann noch etwas weiter ins 20. Jahrhundert zurück und kommen (metaphorisch) zu Thomas Kuhns Paradigmenwechsel und stellen die Frage: Wenn der Schleier gefallen ist, möchte man wieder in den Nebel zurück?
Was ist von Wissenschaftsskepsis zu halten? Ist dies ein Problem oder eine große Chance für unsere Gesellschaft?
Aller vermeintlicher Inklusivitätsbemühungen zum Trotz scheint das Gegenteil zu passieren und wir werden immer ambiguitätsintolerater. Aus »anything goes« wird »nothing goes«. Komplexe Menschen, die wichtige Beiträge für unsere Gesellschaft leisten, können in anderen Aspekte völlig irren, man denke an Wissenschafter wie Isaac Newton oder Kary Mullis.
Was können wir noch von Ernst von Glasersfeld, und Heinz von Foerster, den radikaler Konstruktivsten, lernen? Dann kommen wir auf die Frage, ob die Geisteswissenschaften sich an den Naturwissenschaften orientieren sollen? Wir vertagen diese Frage aber auf eine andere Episode.
Wie kommt es eigentlich in der Wissenschaft zur Meinungsbildung, welche Rolle spielen Epistemic Communities, und was ist von Gruppenbildung in der Wissenschaft zu halten? Pierre Bourdieu spricht vom Homo Academicus, Ludwig Fleck von Denkkollektiven.
In welchem Zusammenhang steht das zu den moderneren Formulierungen wie »Trust the Science« oder gar »Follow the Science«? Was ist die Triple Helix von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik?
Wie stehen diese Überlegungen zu der Tatsache, dass Fortschritt nur mit heterodoxem und orthodoxem Denken gemeinsam zu bekommen ist? Was bedeutet dies für Diversität in Wissenschaft und Eliten in Theorie und Praxis? Welchen Schaden richtet dabei das heute überall zu erlebende Pseudo-Qualitätsmanagement an?
»Nicht mehr die Wahrheit hat hier eine Macht, sondern was Macht über uns hat legitimieren wir theoretisch als das Wahre.«, Hans Blumenberg
Wie kann es gelingen, Fehlerkultur guter (!) Wissenschaft in die Politik mitnehmen? Dabei aber gleichzeitig nicht den Fehler von über-Rationalisierung zu begehen, also Wissenschaft als rationales Schild für Politik und Management zu missbrauchen?
»Viele Menschen lächeln über altmodische Wahrsager. Doch sobald die Hellseher mit Computern arbeiten, nehmen wir ihre Vorhersagen ernst und sind bereit, für sie zu zahlen.«, Gerd Gigerenzer
Dabei stelle ich wieder einmal die fundamentale Frage: wollen Menschen belogen, oder würde Wahrheit politisch belohnt werden? Ich glaube zweiteres, aber was ist Jans Meinung?
Zuletzt stellt sich die ernüchternde Frage, ob wir die Dimension eines großen Umbruches während des Umbruches überhaupt verstehen kann?
Wer die erste Episode mit Jan noch nicht gehört hat, unbedingt Nachhören!
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
-
Episode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica Thompson
-
Episode 74: Apocalype Always
-
Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 47: Große Worte
-
Episode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?
-
Episode 39: Follow the Science?
-
Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann
-
Episode 37: Probleme und Lösungen
-
Episode 27: Wicked Problems
-
Episode 25: Entscheiden unter Unsicherheit
Jan David Zimmermann
- Homepage von Jan
- Jan David Zimmermann, LETHE. Vom Vergessen des Totalitären, als vobiscum (2023)
- Stichpunkt Magazin
- Facebook: Jan D. Zimmermann
- Instagram: j._zimmermann
Fachliche Referenzen
- Karl Popper: Das Elend des Historizismus. Mohr Siebeck, Tübingen 2003, S. XI [Vorwort zur deutschen Ausgabe]
- Reason TV, The Truth about Sweden's COVID Policy (2023)
- Uwe Pörsken: Plastikwörter. Die Sprache einer internationalen Diktatur. Klett-Cotta 2011 (ursprünglich erschienen: 1988)
- Mai'a K. Davis Cross, Rethinking epistemic communities twenty years later (2012)
- Ludwik Fleck, Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv, Suhrkamp (1980)
- Peter M. Haas, Introduction: Epistemic Communities and International Policy Coordination, International Organization, Vol. 46, No. 1, Knowledge, Power, and International PolicyCoordination (Winter, 1992), pp. 1-35
- Hyrum Lewis & Verlan Lewis, The Myth of Left and Right: How the Political Spectrum Misleads and Harms America, Oxford University Press (2022)
- Mitchell G . Ash, Wissenschaft und Politik als Ressourcen füreinander (2002)
- Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie. Suhrkamp, Frankfurt a.M .1960, S.22.
- Gerd Gigerenzer, Risiko – Wie man die richtigen Entscheidungen trifft, Pantheon (2020)
Thursday Nov 02, 2023
083 — Robert Merton — Was ist Wissenschaft?
Thursday Nov 02, 2023
Thursday Nov 02, 2023
Diesmal gibt es eine kurze Episode, in der ich Ihnen am Ende zwei konkrete Fragen stellen möchte. Es gibt ein Online-Formular, wo ich Sie ersuche, Ihre Gedanken stichwortartig einzutragen, natürlich anonym. Wenn ich antworten soll, nennen Sie mir bitte optional eine E-Mail Adresse.
Es um zwei eng verwandte Fragen:
- Was ist Wissenschaft — was sind wesentliche Merkmale und Kriterien wissenschaftlicher Aussagen und Praktiken und
- Folgende der Gedanken, die ich in Episode 80 entwickelt habe: haben Sie für sich selbst Faustregeln oder Heuristiken entwickelt, die Ihnen helfen, zu entscheiden, ob Sie einem Experten vertrauen? Sind Aussagen glaubwürdig, für Sie von Relevanz?
Als Einstieg in die erste Frage, stelle ich die Normen oder Prinzipien vor, die Robert Merton im Jahr 1942 vorgeschlagen hat:
- Gemeinschaftlichkeit (Communism/Communality)
- Universalismus (Universalism)
- Uneigennützigkeit (Disinterestedness)
- Organisierte Skepsis (Organized skepticism).
Stimmen Sie diesen Prinzipien zu? Was fehlt? In welche Richtung sollte man weiterdenken? Bitte senden Sie mir Ihre Gedanken in diesem Formular!
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
-
Episode 67: Wissenschaft, Hype und Realität — ein Gespräch mit Stephan Schleim
-
Episode 47: Große Worte
-
Episode 39: Follow the Science?
-
Episode 13: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 1
-
Episode 14: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 2
-
Episode 2: Was wissen wir?
Fachliche Referenzen
- Science and Pseudo-Science, Stanford Encyclopedia of Philosophy (2021)
- Robert K. Merton, Science and Technology in a Democratic Order, Journal of Legal and Political Sociology, 1: 115–126, 1942
- Lactose Intolerance (Britannica)
- Andrew Curry, Die Milch-Revolution, Spektrum der Wissenschaft (2013)
- Johan Norberg, Open: The Story of Human Progress, Atlantic Books (2021)
- Anna I. Krylov, The Peril of Politicizing Science, J. Phys. Chem. Lett. 2021, 12, 5371-5376
- Konrad Lorenz, Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, Piper (1996)
Thursday Oct 26, 2023
082 – Smart Communities, ein Gespräch mit Ulrich Ahle
Thursday Oct 26, 2023
Thursday Oct 26, 2023
Mein heutiger Gast ist Ulrich Ahle, und diese Episode hat einen für mich sehr spannenden Hintergrund: Ich war zu Beginn des Jahres auf der LEAP-Konferenz in Riad, Saudi-Arabien, und das war ein in vielerlei Hinsicht äußerst eindrucksvolles Erlebnis. Eine der Reisen, wo fast alle meine Vorurteile auf den Prüfstand gestellt wurden.
Auf dieser Konferenz hat Ulrich einen Vortrag zu Smart Cities gehalten, und dieser Vortrag war einer der interessantesten, die ich auf dieser Konferenz gehört habe. Daher freut es mich besonders, dass sich Ulrich für ein Podcast-Gespräch zum Thema Smart Cities, oder besser: Smart Communities zur Verfügung gestellt hat.
Ulrich hat eine lange und erfolgreiche Karriere in der Fertigungsindustrie und Industrie 4.0 hinter sich und gründet 2016 die FIWARE-Foundation, deren deren CEO er wird. In dieser Rolle hat Ulrich eine entscheidende Rolle beim Ausbau der FIWARE Foundation gespielt, die heute auf allen Kontinenten vertreten ist und mehr als 600 Mitglieder zählt. FIWare ist eine der führenden Lösungen für SmartCity/Community-Projekte, und noch dazu eine Open-Source. Warum das wichtig ist, werden wir im Gespräch diskutieren. Ulrich wird nun CEO von Gaia X, einer europäischen Initiative, deren Ziel es ist, , ein Ökosystem zu schaffen, in dem Daten gemeinsam genutzt und in einer vertrauenswürdigen Umgebung zur Verfügung gestellt werden.
Ich wünsche Ulrich bei dieser neuen und sehr wichtigen Herausforderung viel Erfolg. Wenn FIWare als Maßstab gelten darf, können wir von Gaia X in den nächsten Jahren viel erwarten!
In dieser Episode beginnen wir mit der Frage, was eine Stadt oder Gemeinde eigentlich »smart« macht? Ist der Begriff überhaupt sinnvoll? Der Begriff Smart Communities wird als Oberbegriff für Projekte in Städten aber auch ländliche Regionen verwendet. Dies ist im Gespräch auch insofern relevant, als Ulrich auch Ortsvorsteher der Gemeinde Etteln ist und in dieser Gemeinde ebenfalls zahlreiche Smart Community Projekte umgesetzt wurden und werden.
Wer sind primäre Gruppen, die von Smart Communities profitieren? Ist Industrie und Tourismus Teil der Smart City? Was ist mit Industrie 4.0?
Was ist der Unterschied zwischen Digitalisierung in der Verwaltung und Smart City?
Die führenden »digitalen Gesellschaften« in Europa sind Estland, Finnland, Malta, Niederlande, Spanien? Was passiert in diesen Nationen und was können wir davon lernen?
Beispiele für Smart City Anwendungen über die wir in der Episode sprechen sind:
- Parkraumbewirtschaftung
- Beleuchtung
- Müll-Management, Abfallbewirtschaftung
- dynamische City-Maut
- intelligente Wasserwirtschaft
- Hochwasserfrühwarnsystem
- autonom fliegende Drohnen zur Unterstützung der Feuerwehr im Dorf
- Predictive Maintenance vs. vorbeugende Wartung
- Stabilisierung des Energienetzes
Wie sieht es mit systemischen Effekten (auch unerwünschten Nebeneffekten) aus, z.B. beim Smart Parking? Führt dies nicht letztlich zu mehr Verkehr?
Wie Skalieren die Smart Community Konzepte auf mehreren Ebenen — vom Dorf bis zur Großstadt wie Berlin —, aber auch innerhalb einer Stadt, vom Kiez/Viertel bis zur gesamten Stadt und dies sowohl technisch wie funktional und politisch?
Welche Formen der Datenvisualisierung und Dashboards gibt es für Verwaltung und politische Entscheidungsträger?
In den letzten Jahren wird häufig von digitalen Zwillingen gesprochen. Was ist das und wird das im Smast City Umfeld genutzt? Wie ist das Wechselspiel zwischen digitaler und realer Welt abgebildet?
Wie geht man einen solchen digitalen Transformationsprozess am besten an? Top Down? Bottom Up? Middle In? Unterschiedliche Zielkonflikte können drohen, vom Überdesign, das die Menschen am Weg verliert, bis zum Gegenteil, digitalen Silos und Insellösungen, die nicht miteinander kommunizieren, weil zu wenig strukturiert wurde.
Wie gehen wir mit den Daten um? Daten haben in einer digitalen Welt ökonomischen und politischen Wert, gleichzeitig bedroht Digitalisierung die Privatsphäre, lässt sich das unter einen Hut bringen oder bekommen wir Smart Big Brother statt Smart Community? Was ist das Once Only Principle, das in Estland zur Anwendung kommt?
Es gibt nicht nur erfolgreiche Projekte, die Stadt Toronto hat ein großes Smart City Projekt abgebrochen, was kann man daraus lernen?
Welche Abhängigkeiten gibt es bei Smart Community Projekten — ökonomisch, politisch, technisch — und führen diese zu einer höheren Fragilität der Gesellschaft oder gar zu höherer Resilienz?
Wie sieht es mit Smart Communities rund um die Welt aus, von Saudi Arabien bis Indien? Können diese Projekte Menschen helfen (etwa in Afrika) aus der Armut zu kommen?
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 77: Freie Privatstädte, ein Gespräch mit Dr. Titus Gebel
-
Episode 70: Future of Farming, a conversation with Padraic Flood
-
Episode 61: Digitaler Humanismus, ein Gespräch mit Erich Prem
-
Episode 58: Verwaltung und staatliche Strukturen — ein Gespräch mit Veronika Lévesque
-
Data Science und Machine Learning, Hype und Realität: Episode 53 und Episode 54
-
Episode 40: Software Nachhaltigkeit, ein Gespräch mit Philipp Reisinger
-
Episode 35: Innovation oder: Alle Existenz ist Wartung?
-
Episode 31: Software in der modernen Gesellschaft – Gespräch mit Tom Konrad
-
Offene Systeme: Gespräch mit Lukas Lang und Christoph Derndorfer: Episode 19 und Episode 20
Ulrich Ahle
Fachliche Referenzen
Friday Oct 13, 2023
081 — Energie und Ressourcen, ein Gespräch mit Dr. Lars Schernikau
Friday Oct 13, 2023
Friday Oct 13, 2023
Der Gast der heutigen Episode ist Dr. Lars Schernikau. Er ist Energieökonom und Rohstoffhändler und befasst sich seit vielen Jahren mit Energiethemen. Er veröffentlichte in diesem Jahr ein wichtiges Buch mit dem Titel: Unbequeme Wahrheiten: über Strom und die Energie der Zukunft veröffentlicht.
Energie und Energiewende wurde in früheren Episoden schon thematisiert. In dieser Episode fokussieren wir uns neben Energiethemen auch auf die Frage der Abhängigkeit von Energie und Ressourcen, die unsere Gesellschaft am laufen halten.
Was sind die vier Säulen der modernen Gesellschaft nach Vaclav Smil und wie stehen diese in Zusammenhang mit Energie? Werden wir in den nächsten Jahrzehnt weniger oder gar drastisch mehr Energie benötigen? Welchen Einfluss hat die Bevölkerungsentwicklung in unterschiedlichen Regionen und das Betreben der Ärmsten Menschen aus der Armut zu gelangen?
"Armut und Energie stehen in einem sehr engen Zusammenhang."
Das sehen wir am Beispiel des Haber-Bosch-Verfahrens, das moderne Landwirtschaft und auch die Grüne Revolution in den 1960er Jahren ermöglicht und Milliarden Menschen das Leben gerettet hat.
Wie viel Material entnehmen die Menschen jährlich der Erde und wofür? Wie hoch ist der Rohstoffeinsatz pro erzeugter Energieeinheit?
Wo steht sich die deutsche Energiewende aktuell, i.B. auch hinsichtlich der selbst-gesteckten Ziele? Welcher Energie- und Rohstoffeinsatz ist mit »erneuerbaren« Energien verbunden? Was ist der EROEI (Energy Returned on Energy Invested) und warum ist diese Maßzahl fundamental wichtig in der Beurteilung von Energieformen.
Die Geschichte der Menschheit kann als Energiegeschichte geschrieben werden. Der Wechsel zu stetig Energie-dichteren Energieträgern ermöglicht erst unseren Fortschritt:
- Römer: 2:1 (menschliche und tierische Arbeitskraft); Holz und Essens-Nachschub (EROEI) begrenzt Stadtgröße auf ca. 1 Mio Menschen. Schernikau: »Wir haben 5 von 7 Tagen damit verbracht uns am Leben zu erhalten.«
- Kohle 15-30:1
- Gas ähnlich wie Kohle
- Kernkraft 70-90:1
- Wind/Solar im einstelligen Bereich
- Biomasse im geringen einstelligen Bereich
Energiedichten unter 10:1 werden sehr kritisch für die moderne Gesellschaft!
Was ineffizient ist, ist auch eine teure (und meist nicht-ökologische) Form der Energieproduktion. Daher sind Wind und Solar teurer als alle anderen Energieformen (Kohle, Gas, Öl, Kernkraft, Wasserkraft) und sie werden umso teurer je mehr man davon zum Einsatz bringt. Die Energiekrise hat daher in Deutschland auch schon vor dem Ukraine-Krieg angefangen und wurde durch den Krieg nur verstärkt.
Commodities werden weltweit gehandelt. Wenn Deutschland aufgrund der gescheiterten Energiewende Gas (und Kohle) am Weltmarkt zu immer höheren Preisen kauft, können sich etwa Bangladesch und Pakistan diese Preise nicht mehr leisten. Was sind die Konsequenzen für diese Nationen?
»Wir nehmen den Entwicklungländern Jahre in ihrer Entwicklung weg wenn wir sie zwingen, auf ineffiziente Wind- und Solaranlagen für die Stromerzeugung umzusteigen. Hunderte Millionen Menschen bleiben dadurch länger arm.«
Dazu kommt eine geopolitische Perspektive: wo kommen die Ressourcen her und wo werden sie verarbeitet? Der Flächenbedarf, der mit Energieproduktion verbunden ist, gehört zu einer der wesentlichsten ökologischen Größen und ist natürlich durch die Energiedichte bestimmt.
Wie kann es sein, dass in den meisten Medien und von einigen einflussreichen Experten immer noch behauptet wird, Wind und Solar wären die billigsten Formen der Stromproduktion? Was ist der Unterschied zwischen Grenzkosten und Gesamtkosten einer Energieform? Warum ist das häufig zitierte LCOE-Maß (Levelised Cost of Electricity) irreführend? Relevant sind letztlich nur die Gesamtkosten. Was macht den Unterschied aus?
Gibt es eine Economy of Scale bei Wind und Solar? Gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Produktion der Solarzellen/Windräder und der Produktion von Strom?
Schernikau: »Jede kWh die aus Solar und Wind kommt, hat einen geringeren Wert als die vorherige kWh.«
Aber Wasserstoff als Speicher wird dieses Problem lösen (wie schon vor ca. 25 Jahren versprochen), oder? Es stellt sich heraus, dass ca. 65-80 % der Energie über den Umweg des Wasserstoffes verloren gehen. Und das nach der Nutzung von bereits wenig effizienter Produktion. Hat das eine Zukunft?
Schernikau: »Wasserstoff zur Strom-Speicherung ist ein energieökonomisches Disaster.«
Warum macht es einen wesentlichen Unterschied ob man Energiedichte pro Volumen oder pro Gewicht rechnet?
Außerdem: Strom ist nicht gleich Energie, denn Strom macht nur einen Teil der Gesamtenergie aus, die wir als Menschheit für unser Leben benötigen. Was bedeutet dies für eine »Energiewende«?
Vom Prototypen zur wirkungsvollen Technologie vergehen in der Regel Jahrzehnte, sofern es sich überhaupt skalieren lässt. Was bedeutet diese Erkenntnis für die »Elektrifizierung« der Industrie? Fast 90 % der Gesamtenergie kommen weltweit aus Kohle, Gas, Öl und Kernkraft.
Schernikau: »Der Kohleverbrauch steigt trotz Energiewende weiter, weltweit.«
»fast 60% des Energiewachstums kamen im starken Wachstumsjahr 2021 (laut IEA) aus Kohle.«
Welche Rolle spielt Kernkraft in dieser Gemengelage? Es scheint einen politischen Richtungswechsel zu geben, etwa in Ontario Kanada, Polen, Frankreich, Schweden, Finnland, Japan, Südkorea, China und zahlreichen anderen Nationen.
Schernikau: »Energiepreiserhöhung kostet Menschenleben«
Spielt es überhaupt eine Rolle, was wir in Deutschland, Frankreich, Großbritannien machen, wenn in den nächsten Jahrzehnten Nationen mit Milliarden Menschen dramatisch mehr Energie benötigen werden als heute (China, Indien, Afrika, ...) und hunderte Millionen Menschen noch gar keinen Strom haben?
Während aber Deutschland Südafrika erklärt, wie man aus Kohle aussteigt, gibt es in Südafrika Blackouts und Deutschland importiert Kohle aus Südafrika:
Schernikau: »Deutschland könnte vielleicht von Südafrika lernen, wie man mit Stromabschaltungen umgeht.«
Wie können uns eine Menge wünschen, aber die Physik lässt sich durch Wünsche und Träume einfach nicht aus den Angeln heben.
»Ich bin optimistisch dahingehend, dass wir in den nächsten Jahren unsere Energiepolitik ändern werden und wieder auf den richtigen Weg bringen.«
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 73: Ökorealismus, ein Gespräch mit Björn Peters
-
Episode 70: Future of Farming, a conversation with Padraic Flood
-
Episode 62: Wirtschaft und Umwelt, ein Gespräch mit Prof. Hans-Werner Sinn
-
Episode 59: Wissenschaft und Umwelt — Teil 1
-
Episode 60: Wissenschaft und Umwelt — Teil 2
-
Episode 46: Activism, a Conversation with Zion Lights
-
Episode 42: Gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Blick hinter die Kulissen: Gespräch mit Herbert Saurugg
-
Episode 36: Energiewende und Kernkraft, ein Gespräch mit Anna Veronika Wendland
Lars Schernikau
- Lars Schernikau auf X/Twitter, YouTube, LinkedIn, Instagram
- Lars Schernikau auf Unpopular Truth
- Lars Schernikau, The Unpopular Truth about Electricity and the Future of Energy: Website
- Lars Schernikau, William Hayden Smith, Unbequeme Wahrheiten: über Strom und die Energie der Zukunft (2022)
- Tom Nelson, Lars Schernikau: “The Unpopular Truth..about Electricity & Future of Energy”
- Auswahl wissenschaftlicher Artikel
Fachliche Referenzen
- Vaclav Smil, Wie die Welt wirklich funktioniert: Die fossilen Grundlagen unserer Zivilisation und die Zukunft der Menschheit, C.H.Beck (2023)
- Vaclav Smil, Innovationen und Erfindungen: Eine kurze Geschichte des Hypes und des Scheiterns, FinanzBuch Verlag (2023)
- Tim Morgan, Life after Growth, Harriman House (2013)
- Robert Bryce, The Power Of Power Density
- Expensive energy may have killed more Europeans than covid-19 last winter, Economist May 10th 2023
Tuesday Sep 26, 2023
080 — Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
Tuesday Sep 26, 2023
Tuesday Sep 26, 2023
Ich denke seit ein paar Wochen über die Begriffe »Expertise« und »Wissen« nach. Wie stehen diese zueinander und in Bezug zu Prognostik. Dazu irritiert die übliche oder alltägliche Verwendung der Begriff »Expertise« beziehungsweise »Experte«. Regelmäßig werden in Medien Experten präsentiert oder von Politikern auf Experten verwiesen, die die Welt erklären und Prognosen komplexer Systeme mit großem Selbstvertrauen darlegen. Wenn dann aber regelmäßig von Experten oder Institutionen schwere Fehler in der Einschätzung gemacht werden, dann hat das negative Effekte für alle Menschen, für unser Vertrauen in Politik und in wesentliche Institutionen.
Was ist die Aussage eines Experten wert?
Was ist von Prognosen zu halten?
Zum Einstieg werden einige Beispiele schwerwiegender Fehleinschätzungen von Experten über die Jahrzehnte diskutiert, und was noch schlimmer ist, Fehleinschätzungen aus denen offenbar systemisch nichts gelernt wurde:
- Es ist unmöglich die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren (Paul Ehrlich, 1960er Jahre)
- Bevölkerungsexplosion oder -implosion (1960er Jahre bis heute)?
- Peak Oil (1980er bis 2000er Jahre)
- Eiszeit oder kochender Planet?
- Versagen der deutschen Energiewende
- Prognosen über den Ukraine Krieg
- Verschiedenste Wirtschaftsprognosen
»Voraussagen der Euro-Dollar-Wechselkurse sind wertlos. Jedes Jahr im Dezember sagen internationale Banken die Wechselkurse für das Ende des folgenden Jahres vorher. Meistens liegt der tatsächliche Kurs außerhalb des gesamten Prognosebereichs.«, Gerd Gigerenzer
Sind das alles nur Anekdoten, oder wurde die Qualität von Expertenprognosen systematisch untersucht?
»Der Durchschnittsexperte hatte bei vielen der von mir gestellten politischen und wirtschaftlichen Fragen kaum besser abgeschnitten als hätte er geraten […] «
»je berühmter ein Experte war umso schlechter war die Leistung«, Phil Tetlock
Mit anderen Worten: je öfter sie den »Experten« im Fernsehen sehen, desto schlechter sind wahrscheinlich seine Prognosen.
Was ist nun tatsächlich Expertise? Was ist Wissen? Versuchen wir eine Definition:
»Expertise ist die Fähigkeit, Veränderungen in der Welt konsistent vorauszusagen oder herbeizuführen.«
Schon in der Antike gab es unterschiedliche Begriffe für verschiedene Formen des Wissens:
- episteme (gr) oder scientia (lat) für Wissen um seines selbst Willen sowie
- techne (gr) oder ars (lat) für angewandtes Wissen; vielleicht vergleichbar damit, was ich Expertise nenne.
Gibt es Kompetenz, Expertise ohne Tun? Welche Beispiele für Bereiche gibt es, in denen man von Expertise sprechen kann, welche, in denen keine Expertise in diesem Sinne möglich ist? Gibt es Expertise an der Universität?
Dazu kommt die Frage des Vertrauens, wie in der letzten Episode betont wurde:
»Vertrauen ist ein sozialer Prozess, und Expertise ist sozial bestimmt. [...] Du musst der Wissenschaft folgen heißt, du musst mit meinen Werturteilen übereinstimmen.[...] Eine Entscheidung kann niemals wissenschaftlich fundiert sein. […] «
»Letztendlich ist die Definition eines Experten die eines Menschen, dessen Urteile man bereit ist, als das eigenen zu akzeptieren«
Was fangen wir nun mit diesem Befund an? Was tun? Eine Zusammenfassung in vier Punkten:
(1) Sind wir im Zeitalter der Post-Expertise angelangt?
»In den meisten Teilen der Gesellschaft wird man ermutigt, sich auf Experten zu verlassen — wir alle tun das mehr als wir sollten«, Noam Chomsky
(2) Das Tun nicht vergessen — Expertise lässt sich nicht virtualisieren
»Ich glaube nicht, dass man ein guter Erfinder sein kann, wenn man nicht weiß, wie das Zeug gebaut wird, dass man designed«, Walter Isaacson über Elon Musk
(3) Mit Unsicherheit leben lernen — die Herausforderung unserer Zeit
»Die Menschen neigen dazu, Unsicherheit verstörend zu empfinden.«, Phil Tetlock
(4) Evolution, oder: meine Arbeits-These zum Fortschritt
»Seed — Select — Amplify«
Diese Episode ist eine Reflexion und ich freue mich wieder besonders über kritisches Feedback!
»Dumme Menschen können Probleme verursachen, aber es braucht häufig geniale Menschen um eine wirkliche Katastrophe auszulösen«, Thomas Sowell
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 92: Wissen und Expertise Teil 2
-
Episode 13: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 1
-
Episode 14: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 2
-
Episode 36: Energiewende und Kernkraft, ein Gespräch mit Anna Veronika Wendland
-
Episode 42: Gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Blick hinter die Kulissen: Gespräch mit Herbert Saurugg
- Episode 59: Wissenschaft und Umwelt — Teil 1
-
Episode 60: Wissenschaft und Umwelt — Teil 2
-
Episode 62: Wirtschaft und Umwelt, ein Gespräch mit Prof. Hans-Werner Sinn
-
Episode 73: Ökorealismus, ein Gespräch mit Björn Peters
-
Episode 74: Apocalype Always
-
Episode 76: Existentielle Risiken
Fachliche Referenzen
- Leonard Nimoy, Ice Age 1979
- Vorsicht, wer die Konjunktur prophezeit, Der Standard (8.2.2020)
- Spectator Inflation Prediction (17.8.2022)
- Gerd Gigerenzer, Risiko – Wie man die richtigen Entscheidungen trifft, Pantheon (2020)
- Karl Popper, The Myth of the Framework
- Daniel Yankelovich, Wicked Problems, Workable Solutions, Rowman & Littlefield (2014)
- Neil Gershenfield, Lex Fridman #380
- Walter Isaacson, Lex Fridman #395
- Nassim Taleb, What do I mean by Skin in the Game? My Own Version, Medium (2018)
- Scott Adams, Prediction and Forecast
- Thomas Sowell on “Social Justice Fallacies”, Uncommon Knowledge (2023)
Tuesday Sep 12, 2023
079 — Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica Thompson
Tuesday Sep 12, 2023
Tuesday Sep 12, 2023
Todays guest is Dr. Erica Thompson who wrote the excellent book "Escape from Model Land", which I strongly recommend for reading.
Dr. Thompson is Associate Professor of Modelling for Decision Making at UCL’s Department of Science, Technology, Engineering and Public Policy. She is also a Fellow of the London Mathematical Laboratory, where she leads the research programme on Inference from Models, and a Visiting Senior Fellow at the LSE Data Science Institute.
She is working on the appropriate application of mathematical modelling in supporting real-world decisions, including ethical and methodological questions. For instance, what is the best use of models in climate change, public health and economics.
Making and using models in the real world is — as it turns out — quite a tricky business and in our conversation we go deep into the question: what constitutes model land and how can we escape model land to achieve good results for our society from what we learned in model land.
I covered similar topics in other podcast episodes, because this question can be tackled from a number of different perspectives.
The first question I ask Dr. Thompson is the obvious one: What is model land?
“Nobody actually cares at all about what happens in your model. […] unless you make a claim that what happens within that model land has some relationship to what happens in the real world. So, how to transfer your judgement about the model to the judgement about the real world, is the key question?”
What does Steven Wolfram mean with irreducibility of nature? Why do we have to treat different types of models differently?
What is the difference between interpolation and extrapolation, and why is this crucially important? Many models of complex systems incorporate significant amounts of expert judgement, especially when models are extrapolating. How should we deal with such models?
“All of these decisions about model construction imply value judgements about what we think to be important.”
Value judgements per se are not the problem — but are they shared by the people affected by the model? How did you get to those judegements? Are the transparent enough? Do the decision makers know and agree with these judgements?
Under what conditions can we assess the reliability of a model? In which category do models that are discussed in public fall, for instance climate models? What are the butterfly and hawkmoth effect? What is the difference between data driven vs. “expert driven” models and what role does data quality play in practice?
Most models also are partial models. What is incorporated in a model? What is left out? What conclusions are we allowed to draw from complex models? Do they highly successful data driven models distort our expections in the more assumption driven ones?
“The model is then very much part of the story. It is not just a prediction engine.”
There are models that influence the world and the world feeds back opposed to models that “just” describe the world, and performative models that actually create the reality they describe and counter-performative models. Why is it important to distinguish among these different types?
“Those [counter-performative models] were not made with the aim to be accurate models and correctly predicting the future. They were made with the aim of showing what could happen if we didn't action which would then avoid these worst case scenarios.”
What is the difference between a (conditional or unconditional) prediction and a scenario?
Models are tools and cannot replace judgement. But did we use these tools accordingly? Or did models in the recent past (e.g. Covid) inflict more harm than good on our society?
“This is exactly what models are for—to serve as working hypotheses for further research.”, Ludwig von Bertalanffy
and
“Build a society that is resistant to model errors”, Nassim Taleb
Is this true?
Models as narrative generating devices and communication tools and collective thinking — do we want that? Under what conditions — like flatten the curve? And, how to avoid group think and be captured by models?
“Plans are worthless but planning is everything”, Dwight D. Eisenhower
“Kein Plan überlebt die erste Feindberührung”, Helmuth Graf von Moltke
So, there is a significant amount of expert judgement in building models, but do people know that and which expert do we trust?
“Trust is a social process and expertise is socially determined. […]
You must follow the science is saying you must agree with my value judgements.[…]A decision can never be science based.”
Thus, science is never value free.
Finally we talk about regulation in complex systems and how those relate to models, the long and short term perspectives and what skin in the game means. Is Niall Ferguson right when he says:
“Surely, once we have written a regulation for every possible misdeed, then good behaviour will ensue. This is just an amazing illustration of our ability as human beeings to keep doing the wrong thing in the face of all experience. […] the big players are actually protected by complex regulation. […]
Regulation is the disease of which it pretends to be the cure.”
Then, how should we regulate complex systems? Should every politician be a scientist in the Platonic sense?
»Ultimately the definition of an expert is somebody who's judegements you are willing to accept as your own.«
References
Other Episodes
-
Episode 68: Modelle und Realität, ein Gespräch mit Dr. Andreas Windisch
-
Episode 67: Wissenschaft, Hype und Realität — ein Gespräch mit Stephan Schleim
- Episode 53: Data Science und Machine Learning, Hype und Realität — Teil 1
-
Episode 54: Data Science und Machine Learning, Hype und Realität — Teil 2
-
Episode 39: Follow the Science?
-
Episode 37: Probleme und Lösungen
-
Episode 2: Was wissen wir?
- Personal Website of Dr. Thompson
- UCL’s Department of Science, Technology, Engineering and Public Policy
- London Mathematical Laboratory
- LSE Data Science Institute
Other References
- Erica Thompson, Escape from Model Land, Basic Books (2022)
- Lex Fridman #376 in conversation with Steven Wolfram (2023)
- Ludwig von Bertalanffy, General Systems Theory (1969)
- Cathy O’Neil, Weapons of Math Destruction: How Big Data Increases Inequality and Threatens Democracy, Penguin (2017)
- Niall Ferguson on Regulation in conversation with John Anderson (2023)
Monday Aug 28, 2023
Monday Aug 28, 2023
In den letzten Jahren gab es bemerkenswerte Entwicklungen im Bereich des Machine Learning und der sogenannten künstlichen Intelligenz. Wie bei fast allen neuen Technologien, sind sehr nützliche aber auch sehr gefährliche Anwendungen zu erwarten. In dieser Episode spreche ich über drei Aspekte, die mit neuen KI-Tools auf uns zu kommen, oder bereits verfügbar sind:
- Beantwortung von Fragen / Recherche
- Generierung von Text mit Large Language Models (gegebenenfalls ergänzt mit Sprachsynthese)
- Generierung oder Manipulation von Bildern und Videos
Ich habe mich mit Aspekten dieses Themas schon vor mehr als zwei Jahren in Episode 43: Deep Fakes beschäftigt. Diese Episode ist heute noch aktueller als damals.
Die Frage ist: welchen Inhalten im Internet können wir in Zukunft trauen? Und in dieser Episode liegt der Fokus auf der Frage: was bedeutet diese Entwicklung für Personen und Organisationen, die Inhalte erzeugen und anbieten, im Besonderen für Podcasts sowie Konsumenten dieser Produkte.
Welche Verantwortung haben wir als Produzenten?
Wie können wir Konsumenten vertrauen in unsere Inhalte geben, in einer Welt, die immer mehr von generierten und manipulativen Artefakten geflutet sein wird? Wie kann also mündigen Konsumenten geholfen werden, die Spreu vom Weizen zu trennen und dies ohne Schichten von Zensur einzuführen.
»Nicht zu viel Macht — das ist die Grundidee der Demokratie. Die Macht muss verteilt sein, sodass nicht zu viel Macht in einer Hand ist.«, Karl Popper
Wie verändert sich möglicherweise das Verhältnis zu den Konsumenten?
In dieser Episode diskutiere ich zwei wesentliche Aspekte:
- Bin ich die Person (oder Organisation), die ich behaupte zu sein, beziehungsweise wer sind die Personen, die an einer Episode teilnehmen?
- Woher stammen die Materialien (z.B. Texte, Bilder, Videos), die ich auf meinem Kanal präsentiere
Wie können wir auch als »kleine« und unabhängige Produzenten in Zukunft das Vertrauen in unser Produkt gewährleisten, ohne uns von wenigen Medien-Monopolisten abhängig zu machen und warum spielen gerade Podcasts eine so wesentliche Rolle in der heutigen, und hoffentlich auch zukünftigen Medienlandschaft?
Zuletzt mache ich meinen Produktionsprozess transparent:
- Vorbereiten von Episoden (Recherche, Inhalte zusammenstelle)
- Aufnahme
- Nachbearbeitung (Post-Production)
- Wie werden verschiedene Artefakte erstellt (Audio-File, Shownotes, Transkripte)
- Werbung und Interaktion mit Hörern
An welchen Stellen wird mit welcher Art von Tools gearbeitet?
Wie können wir als unabhängige Podcaster in der Zukunft gewährleisten, das Vertrauen der Hörer nicht zu verlieren und gleichzeitig nicht unter die Räder einzelner Medien-Monopolisten zu geraten?
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 61: Digitaler Humanismus, ein Gespräch mit Erich Prem
-
Episode 43: Deep Fakes: Wer bist du, und – was passiert da eigentlich?
-
Episode 2: Was wissen wir?
Fachliche Referenzen
Tuesday Aug 08, 2023
077 — Freie Privatstädte, ein Gespräch mit Dr. Titus Gebel
Tuesday Aug 08, 2023
Tuesday Aug 08, 2023
In der heutigen Episode freue ich mich Dr. Titus Gebel begrüßen zu dürfen. Wir sprechen über sein Konzept der »Freien Privatstädte«.
Titus Gebel ist Unternehmer und promovierter Jurist. Er war Mitgründer der Deutsche Rohstoff Gruppe sowie des Startups Dual Fluid, deren CFO Björn Peters, in Episode 73 zu Gast war. Dr. Gebel spielt auch eine wesentliche Rolle in der Etablierung einer ambitionierten Sonderentwicklungszone mit dem Namen Prospera in Honduras und berät andere Sonderwirtschaftszonen weltweit.
Aber das Thema des Gesprächs ist breiter: wir beginnen mit der Frage, was modernes Staatswesen ausmacht, was Freiheit bedeutet, was die Rolle von Bürger und Staat sind, wo die Ursprünge und philosophischen Ideen liegen und was bis zum heutigen Zeitpunkt in verschiedenen Nationen daraus geworden ist.
Wir beginnen mit einem Blick in die Geschichte, was ist die Rolle des Staates nach Thomas Hobbes und John Stuart Mill? Was ist der Begriff der Freiheit?
»Struggle between Liberty and Authority«
»By liberty, was meant protection against the tyranny of the political rulers.«, John Stuart Mill
Wie hat sich die Rolle des Staates verändert?
»Der moderne Staat hat sich etabliert, um seinen Bürgern vor allem zwei Grundpfeiler des Lebens zu garantieren: Freiheit und Sicherheit.«, K. P. Liessmann
Wie kommt es zu einem Mehr an Freiheit? Aus philosophischen Überlegungen und Ideen, oder aus pragmatischeren Aspekten? Führt der Weg von der göttlichen Bestimmung zur Freiheit? Wie wird der Wille des Volkes überhaupt bestimmt und was bedeutet dies für Minderheiten?
Wir beide stimmen darin überein, dass wir eine beginnende, schwere Krise in den westlichen Demokratien, beziehungsweise Verwaltung erkennen. Die Frage ist: wie ist diese zu erklären und wie könnten Wege heraus aussehen?
»Heute haben wir es mit einer Überdehnung des modernen Staates zu tun, und zwar sowohl wohlfahrtsstaatlich wie ökologisch. Mit dem Wohlfahrtsstaat, der eigentlich schon in der traditionellen Gemeinwohlformel angelegt ist, kehrt das summum bonum zurück: das größte Glück der größten Zahl; der gehobene Lebensstandard wird als politisches Recht definiert.«, Norbert Bolz
Bismarck gilt als Erfinder des Sozialstaats, was war die damalige Motivation? Wie hat sich der Sozialstaat seit damals entwickelt? Führen falsche Anreizsysteme für Politiker in die Krise, denn Gratisleistungen des Staates erscheinen nur gratis, sind es aber natürlich nicht?
»Es gibt in westlichen Demokratien keine klassisch liberalen Parteien mehr, das sind alles Umverteilungsparteien geworden«
»Die Gruppe der Menschen, die tatsächlich produktiv und wertschöpfend tätig ist, wird immer kleiner.«
Dazu passt auch der Gedanke des mittlerweile 93 jährigen Thomas Sowell:
»You have people making [political] decisions, for which they pay no price when they are wrong. No matter how high a price other people pay.«
Dr. Gebel hat ein Konzept entwickelt, das er Freie Privatstädte nennt und wir diskutieren über das Konzept, welche Rolle Verwaltung und Regierung einnehmen sollen, wie Anreizsysteme verbessert werden können und vergleichbare andere Ansätze, die in eine ähnliche Richtung gehen. Kann es so etwas wie Verwaltung als Dienstleistung geben?
» Der Staat sollte aus meiner Sicht theoretisch kein Monopol auf das Staatsgebiet haben. In Liechtenstein haben wir das verwirklicht. So zwingt man den Staat, ein guter Dienstleister zu sein.«, Hans Adam II von Liechtenstein
Wir sprechen dann über die zwiespältige Entwicklungen des 19. Jahrhundert, Engels und den Manchester-Kapitalismus. Welche Rolle spielt Solidarität, Menschwenwürde? Wer soll diese Gewährleisten, und in welcher Form? Welche Rolle spielt Selbstorganisation (bottom up) im Gegensatz zu staatlichen Top Down Mechanismen?
Ab wann gleitet ein Sozialstaat in einen »Nanny-State« ab, ganz nach dem alten sozialistischen Motto »Von der Wiege bis zur Bahre« in der Hand des Staates? Gibt es in Deutschland nur mehr vier Grüne und eine rechte Partei, und sind letztlich alle auf dem Pfad des »Rent Seeking«?
»Aus dem Recht der Bürger, nach ihrem Glück zu streben, wurde längst die Pflicht des Staates, für dieses Glück zu sorgen. Dass in einer Demokratie die Bürger diesen Staat ausmachen und deshalb solche Forderungen an sich selbst adressieren müssten, wird gerne vergessen«, Konrad Paul Liessmann
Machen wir den Fehler einen vermeintlichen Idealzustand mit dem Ist-Zustand zu vergleichen? Warum gelingt es auch nicht mehr — nach Cicero — dass die Begabtesten in die Politik gehen, sondern wir heute eher eine negative Auslese erleben?
»Wenn man merkt, dass man ein totes Pferd reitet, sollte man absteigen.«
Titus Gebel erklärt dann sein Konzept der freien Privatstädte genauer, auch die Abgrenzungen zu Charter Cities und Sonderwirtschaftszonen im Allgemeinen. Warum sind seiner Ansicht nach die Anreizsysteme in diesen Konzepten besser?
Welche Rolle spielt der Markt — als Entdeckungsverfahren — und wie können wir evolutionäre Prinzipien auch in Verwaltung und Staatswesen etablieren mit Mutation, Nachahmung, Reproduktion, beziehungsweise dem »Seed, Select, Amplify« (Meyer, Davis) Prinzip? Probieren und Scheitern sollte wieder möglich werden, sonst gibt es auch weiterhin keinen Fortschritt.
»Es wäre besser, wir würden in einer Welt von 2.000 Liechtensteins leben, die alle ein veschiedenes System haben als in 200 Staaten.«
Aber ist es realistisch, dass sich Koordination von viele kleine Einheiten global bei wesentlichen Fragen umsetzen lässt?
Wie könnte ein solches System überhaupt umgesetzt werden, wo doch alle Landflächen von existierenden Nationen kontrolliert werden? Gibt es eine reale Chance der Umsetzung? Oder gibt es schon exisitierende Beispiele? Dr. Gebel spricht über Beispiele in China, dem Nahen Osten, Saudi Arabien und Südamerika?
Sind diese Ansätze nicht nur Gated Communities für die Elite? Was macht ein Gemeinwesen? Ich fühle ja auch keine Gemeinschaft zu anderen Gästen in einem Hotel?
»Es gibt zwei Arten von Menschen: die einen, die ihre Meinungen anderen aufzwingen wollen, und die anderen, die das nicht wollen und die sagen, Leben und Leben lassen. Die erste Gruppe strebt natürlich in die Politik.«
Findet der wirkliche politische Konflikt heute nicht, wie so oft behauptet, zwischen links und rechts, sondern vielmehr zwischen autoritär und (klassisch) liberal statt?
»Leben und Leben lassen in unterschiedlichsten Formen des Zusammenlebens.«
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 73: Ökorealismus, ein Gespräch mit Björn Peters
-
Episode 58: Verwaltung und staatliche Strukturen — ein Gespräch mit Veronika Lévesque
-
Episode 57: Konservativ und Progressiv
-
Episode 29: Fakten oder Geschichten? Wie gestalten wir die Zukunft?
-
Episode 26: Was kann Politik (noch) leisten? Ein Gespräch mit Christoph Chorherr
-
Episode 17: Kooperation
Titus Gebel
Fachliche Referenzen
- Honduran ZEDEs: Their Past and Future
- Reason TV: A private libertarian city in Honduras (2023)
- Franz Oppenheimer, Der Staat (1907)
- Austrian Institute, „Der Staat soll nicht nur einer privilegierten Schicht dienen, sondern allen Menschen“ – Interview mit Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein (2017)
- Thomas Sowell im Gespräch mit Peter Robinson, Uncommon Knowledge(7.9.2023)
- Christopher Meyer, Stan Davis, It's Alive, Texere Publishing (2004)
- Karl Popper - Ein Gespräch (1974)
-
Monday Jul 17, 2023
076 — Existentielle Risiken
Monday Jul 17, 2023
Monday Jul 17, 2023
»Wird die Zivilisation mit einem Knall oder einem Winseln untergehen? Der aktuelle Trend ist ein Winseln in Erwachsenen-Windeln.«, Elon Musk
Existentielle Risiken sind ein Thema, das in diesen Podcast passt, auch weil es eine interessante historische und zukünftige Dimension hat. Zur Zukunft später, zuerst zur Vergangenheit: Zwar gab es auch in der Vergangenheit für die Menschheit oder den Planeten existentielle Risiken, etwa Asteroiden-Einschläge, aber es waren Risiken, die der Mensch weder beeinflussen noch herbeiführen konnte. Die Wirkmacht der Menschen war über den größten Zeitraum menschlicher Geschichte eine lokale.
Das ändert sich zunächst langsam mit der industriellen Revolution und dann schlagartig ab der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Atomwaffen waren die erste Technologie, die ganz offensichtlich gezeigt haben, dass wir nun in der Lage sind nicht nur ganze Landstriche zu verwüsten, sondern tatsächlich die ganze Welt.
"Wir waren immer verrückt, aber wir hatten nicht die Fähigkeiten die Welt zu zerstören. Jetzt haben wir sie.", Nassim Taleb
Was sind existentielle Risiken? Versuch einer Definition:
»Ein 'existenzielles Risiko' (X-Risiko) ist ein Ereignis, das die Möglichkeiten der Menschheit dauerhaft und drastisch einschränken könnte, indem es zum Beispiel das Aussterben der Menschheit verursacht«, CamXRisk
Meine erweiterte Definition:
Ein existenzielles Risiko für die Menschheit ist eine Bedrohung, die große Teile des Planeten oder menschlicher Strukturen zerstört oder große Teile der Menschheit in einem Ausmaß oder auf eine Weise töten könnte, dass eine Wiederherstellung eines modernen Gesellschaftsniveaus innerhalb eines Zeitrahmens von Jahrhunderten nicht wahrscheinlich ist.
Macht das Auflisten existentieller Risiken, das Ranken Sinn? Mit welchen Einschränkungen, unter welchen Rahmenbedingungen? Ist es überhaupt möglich, die Risiken sinnvoll einzuschätzen und wovon hängt das Risiko ab?
»Eine Pandemie besteht aus einem neuen Erreger und den sozialen Netzwerken, die er angreift. Wir können das Ausmaß der Ansteckung nicht verstehen, wenn wir nur das Virus selbst untersuchen, denn das Virus wird nur so viele Menschen infizieren, wie es die sozialen Netzwerke zulassen. Gleichzeitig legt eine Katastrophe die Gesellschaften und Staaten offen, die sie angreift.«, Niall Ferguson
Daher sind die Auswirkungen von Effekten komplexer Bedrohungen oft auch schwer einzuschätzen. So sind etwa trotz Klimawandel:
»Die jährlichen Todesfälle durch Tornados in den USA sind seit 1875 um mehr als das Zehnfache zurückgegangen« […]
"Die Zahl der wetterbedingten Todesfälle ist in den letzten hundert Jahren drastisch zurückgegangen, obwohl sich die Erde um 1,2 °C erwärmt hat; sie sind heute etwa 80-mal seltener als noch vor einem Jahrhundert. […]
Das liegt vor allem an der besseren Verfolgung von Stürmen, dem besseren Hochwasserschutz, der besseren medizinischen Versorgung und der verbesserten Widerstandsfähigkeit der Länder, die sich entwickelt haben. Ein aktueller UN-Bericht bestätigt den Trend der letzten zwei Jahrzehnte", Steven Koonin
Anhand von drei existentiellen Bedrohungen stelle ich die Schwierigkeit dar, Risiken, Auswirkungen und Rankings zu beurteilen: Atomwaffen, Bevölkerungskollaps und Klimawandel.
Welche Rolle spielen systemische Effekte? Wechselbeziehungen zwischen Bedrohungen, beziehungsweise sind einzelne Risiken als Folge anderer zu sehen? Wie damit umgehen?
»Für jede mögliche Katastrophe gibt es mindestens eine plausible Kassandra. Nicht alle Prophezeiungen können beherzigt werden. In den letzten Jahren haben wir vielleicht zugelassen, dass ein Risiko - nämlich der Klimawandel - unsere Aufmerksamkeit von den anderen ablenkt«, Niall Ferguson
Das Leben in einer modernen, komplexen Gesellschaft — im Anthropozän — hat positive Auswirkungen: wir sind weiter von der Natur entfernt, sind sicherer und haben einen viel höheren Lebensstandard als je zuvor. Wir sterben nicht mehr im Einklang mit der Natur, wie Hans Rosling es ausdrückte. Aber sie hat eben auch negative Auswirkungen, die leider existentielle Risiken darstellen können.
Die Konzentration auf die Eindämmung eines einzigen Risikos (z. B. des Klimawandels) kann dazu führen, dass wir andere Risiken unterschätzen oder sogar andere Risiken dramatisch erhöhen.
»Wir sind immer gut vorbereitet auf die falsche Katastrophe. [...] Aber die Geschichte warnt uns, dass man nicht die Katastrophe bekommt, auf die man sich vorbereitet.«, Niall Ferguson
Wie können wir aber mit einer Vielzahl an miteinander verknüpften Risiken umgehen? Was könnten wir unternehmen um unsere Gesellschaft in einem breiteren Sinne resilienter, widerstandsfähiger zu machen? Welche Fehler haben wir in der Covid-Pandemie gemacht und was können wir daraus lernen?
Und nicht zuletzt — was ist die Liste der existentiellen Bedrohung in meiner Reihenfolge (die unbedingt kritisiert werden sollte!):
- Atomwaffen
- Natürliche oder künstlich erzeugte Pathogene (»Demokratisierung« der Wissenschaft)
- Zusammenbruch kritischer Infrastrukturen (Energie, Finanz, IKT, ...)
- Solarer Supersturm (auch Carrington-Ereignis genannt)
- Außer Kontrolle geratene Automatisierung/Robotik ("AI", aber auf einer allgemeineren Ebene)
- Klimawandel (insbesondere für den Fall, dass Kipppunkte und ein unkontrollierbarer Klimawandel auftreten)
- Nanotechnologie oder andere Möglichkeiten zur drastischen Veränderung von Herstellung und Chemie, die zu Nanomaschinen führen
- Bevölkerungskollaps beziehungsweise starkes globales Ungleichgewicht
- Ökosystemkollaps mit »Domino-Effekten«
- Unbekannte Unbekannte (»Unknown unknowns«)
- Grüne Gentechnik die außer Kontrolle gerät
- Politischer/religiöser Extremismus
- Asteroideneinschlag auf der Erde
- Geoengineering (auch als Konflikt-Auslöser, -Verstärker)
Diese Liste ist als Anregung gedacht, dieses Thema zu diskutieren. Ist die Reihenfolge richtig? Wahrscheinlich nicht. Fehlt etwas?
Die Kluft zwischen Nutzen und Katastrophe scheint durch moderne Technologie immer schärfer zu werden. Wir sind also gut beraten, diese Bedrohungen ernst zu nehmen. Aber um einen Punkt zu wiederholen: es ist ein großer Fehler, sich hauptsächlich auf eine Bedrohung in dieser Liste zu konzentrieren, welche auch immer das sein mag, und zu glauben, wir könnten so unser gesellschaftliches Risiko verringern.
Das werden wir nicht.
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 74: Apocalype Always
-
Episode 60: Wissenschaft und Umwelt — Teil 2
-
Episode 59: Wissenschaft und Umwelt — Teil 1
-
Episode 55: Strukturen der Welt
-
Episode 51: Vorbereiten auf die Disruption? Ein Gespräch mit Herbert Saurugg und John Haas
-
Episode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?
-
Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp Blom
-
Episode 37: Probleme und Lösungen
-
Episode 33: Naturschutz im Anthropozän – Gespräch mit Prof. Frank Zachos
-
Episode 27: Wicked Problems
-
Episode 21: Der Begriff der Natur – oder: Leben im Anthropozän
Fachliche Referenzen
- Cambridge Existential Risks Initiative (CERI)
- Hans Rosling, Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist, Ullstein (2019)
- Niall Ferguson, Doom, The Politics of Catastrophe, Penguin (2022)
- Steven E. Koonin, Unsettled, BenBella Books (2021)
- Climate Change Debate: Bjørn Lomborg and Andrew Revkin | Lex Fridman Podcast #339
- Niall Ferguson on disaster preparation, Triggernometry
- Near Miss: The Solar Superstorm of July 2012, NASA (2014)
- Lloyds, Solar storm risk to the North American electric grid (2013)
- The Economist Briefing, It’s not just a fiscal fiasco: greying economies also innovate less (2023)
- The five biggest threats to human existence, The Conversation (2014)
- Elon Musk on artificial intelligence, Conversation with Tucker Carlson (2023)
Friday Jun 30, 2023
075 — Gott und die Welt, ein Gespräch mit Werner Gruber und Erich Eder
Friday Jun 30, 2023
Friday Jun 30, 2023
In der heutigen Episode freue ich mich einerseits, dass mein Haus und Hof Biologie Prof. Erich Eder sich wieder die Zeit für ein Gespräch nimmt, und nicht nur das, er bringt den Physiker Werner Gruber mit — wie man früher gesagt hat: bekannt (unter anderem) aus Rundfunk und Fernsehen, Kabarett sowie Autor mehrerer Bücher.
Der Titel der heutigen Episode ergibt sich gleich daraus, dass wir nur ca. ein bis zwei der von mir überlegten Fragen überhaupt angegangen sind: »Gott und die Welt«. Ich beginne das Gespräch mit einem Zitat des britischen Philosophen Roger Scruton:
»The Enlightenment had replaced mystery with mastery.«, Roger Scruton?
Was ist Aufklärung? Wer ist Verantwortlich für Fortschritt und Rückschritt? Was ist die Aufgabe der Wissenschaft, welche Rolle spielt Galileo bei der Frage nach dem Warum und nach dem Wie? Welche epistemologische Rolle spielt das Messgerät, die Technik in Wechselwirkung mit Wissenschaft?
Was ist der Unterschied zwischen Wissenschaftern und Technikern? Und... ist die Medizin eine Wissenschaft? Erich hat da in der Ansprache zu Medizinstudenten einen pragmatischen Zugang:
»Ihr seid eh auch irgendwie Biologen, ihr beschäftigt euch halt nur mit einer Affenart. und da nur mit den Krankheiten und wie man sie heilen kann«
In diesem Zusammenhang gibt Werner Gruber auch einen wesentlichen Tipp: was sollten Sie tun, wenn Sie von Außerirdischen entführt werden und auf dieser Reise erkranken?
Welche Rolle spielt der Nobelpreis für die Wissenschaft und was ist notwendig um einen Nobelpreis zu gewinnen? Der Österreicher Anton Zeilinger hat zuletzt den Nobelpreis für Physik erhalten, was steckt da fachlich und methodisch dahinter?
Ohne die Freiheit, "Sachen zu machen die nicht Mainstream waren", sei seine Forschungsarbeit nicht möglich gewesen, Anton Zeilinger
Der in Österreich geborene Physiker Max Perutz, der in den 1930er Jahren vor den Nazis nach England fliehen musste und dort im berühmten Cavendish Laboratorium arbeiten könnte, erhielt einen Nobelpreis mit John Kendrew für seine Arbeiten am Haemoglobin.
Später leitete er selbst das Labor und in dieser Zeit erhielten neun (!) seiner Mitarbeiter ebenfalls Nobelpreise. Auf die Frage, wie er das Labor führt und diesen Erfolg ermöglicht hat:
»no politics, no committees, no reports, no referees, no interviews; just gifted, highly motivated people, picked by a few men of good judgement.«
Sind wir an unseren Universitäten für Forschung und Lehre richtig aufgestellt? Was könnten und sollten wir verändern? Welche Rolle spielen schräge Vögeln in der Forschung und erlauben wir diese überhaupt noch an den Unis und Forschungseinrichtungen?
»Quantität in der Wissenschaft hat massiv zugenommen, aber nicht die Qualität«
Welche Rolle spielt die Ruhe und Nachdenken in Bildung und Wissenschaft? Schule kommt immerhin vom griechischen σχολή (scholē) was Muße bedeutet. Nutzen wir die Strukturen, die wir eingeführt haben (Universität, Fachhochschule) richtig?
»Ich würde heute nicht mehr studieren wollen«
Was ist die wichtigste Erfindung des 20. Jahrhunderts?
Wie grenzen sich Wissenschaft und Aktivismus ab, und welche Rolle spielt Wissenschaft und Expertise in politischen Entscheidungsprozessen? Warum halten sich so viele Menschen heute für Experten einer Sache (z.B. der Physik) ohne auch nur die relevanten Grundkenntnisse zu besitzen — wer ist nun ein Experte? In den Medien ist jeder Wissenschafter (oder jemand der wie ein solcher wirkt) Experte (für eh alles)?
»Wir forcieren in der Politik nicht die Personen, die auch Mut zum Versagen haben«
Gefühl oder Zahlen? Wie ein Statistiker die Küche des Schweizerhauses optimiert.
Wie haben wir die Covid-Pandemie bewältigt? Was den Bürgermeister von Rostock geleitet hat und welche Kritik aktuelle Cochran Studie aufwerfen.
Was hat es mit Plagiatsjägern und Betrug in der Ausbildung auf sich? Hat die höhere Bildung überhaupt den Wert den wir ihr zuschreiben, oder ist sie im Wesentlichen Signalisierung?
»Es ist eigentlich wurscht wo es hinführt, ich persönlich will es wissen.«
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 67: Wissenschaft, Hype und Realität — ein Gespräch mit Stephan Schleim
-
Episode 50: Die Geburt der Gegenwart und die Entdeckung der Zukunft — ein Gespräch mit Prof. Achim Landwehr
-
Episode 48: Evolution, ein Gespräch mit Erich Eder
-
Episode 47: Große Worte
-
Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp Blom
-
Episode 41: Intellektuelle Bescheidenheit: Was wir von Bertrand Russel und der Eugenik lernen können
-
Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann
-
Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
-
Episode 2: Was wissen wir?
Werner Gruber
Erich Eder
fachliche Referenzen
- Roger Scruton, Fools, Frauds and Firebrands, Bloomsbury (2019)
- Max Perutz: Geoffrey West, Scale: The Universal Laws of Life and Death in Organisms, Cities and Companies, W&N (2018)
- Mark Alan Smith, Masking Uncertainty in Public Health, Quintette (2023)
- Bryan Caplan, The Case against Education — Why the Education System Is a Waste of Time and Money, Princeton University Press (2019)
- »Plagiatsjäger« Stefan Weber