Episodes
Thursday Nov 26, 2020
Thursday Nov 26, 2020
Bei der Übersetzungsbewegung handelt es sich um – wie man heute sagen würde – um wissenschaftlichen Austausch der über Jahrhunderte gewirkt hat, mit dem Epizentrum im persischen und arabischen Raum um das Jahr 1.000. Die Wirkungen dieser Bewegung reichten von Griechenland über die islamische Kultur nach Asien, Afrika und eben über die iberische Halbinsel nach Mitteleuropa.
Dieses Thema ist für den Podcast relevant, weil es uns hilft, ein Verständnis wesentlicher historischer Zusammenhänge an der Schnittstelle von Wissen, Gesellschaft und Politik zu bekommen, die in die Zukunft wirken.
Ich freue mich auch in dieser Episode wieder einen äußerst kompetenten Gesprächspartnern gewinnen zu können: Rüdiger Lohlker, Professor für Islamwissenschaften. Er war unter anderem an der Univ. Göttingen, Kiel und Giessen tätig und arbeitet nun an der Universität Wien am Institut für Orientalistik. Seine Forschungsinteressen liegen im Islam in der Gegenwart, der arabischen und islamischen Welt online, Sufismus und Medical Humanities. Dabei handelt es sich um ein interdisziplinäres Feld an der Schnittstelle zwischen Medizin und Geisteswissenschaft. Er forscht aber auch zu Themen wie Jihadismus und Salafismus.
In dieser Episode diskutieren wir also zahlreiche Fragen mit weitreichender Wirkung, etwa: Warum ist es im 8. bis 10. Jahrhundert überhaupt zu einem solchen Aufschwung der Naturphilosophie und Medizin und der Übersetzungsbewegung gekommen? Was ist die Rolle von Universalgelehrten und Generalisten? Wie ist das Zusammenspiel zwischen der Administration eines Großreiches (oder allgemeiner der Politik), der Urbanisierung und der Wissenschaft (wie wir es heute nennen würden)? Wie finanziert sich die »Wissenschaft« der Zeit? Herrscht im islamischen Mittelalter mehr Ambiguität vor? Wie lassen sich verschiedene Lebensentwürfe und Religionen vereinbaren? Warum war die islamische Kultur und Wissenschaft der Zeit der europäischen deutlich überlegen? Wie verschieben sich Schwerpunkte des Wissens und Wissenskulturen, welche Rolle spielen dabei Kooperation und Konkurrenz und was können wir wir für die heutige Zeit und die Zukunft lernen?
Nicht zuletzt wird das Gespräch sich auch (vielleicht etwas überraschend) mit Piraten beschäftigen.
Wir sprechen auch beispielhaft über wesentliche Gelehrte und Herrscher der Zeit und deren Wirkungskreise wie unter anderem
- Al-Maʾmūn
- ibn Sina (Avicenna)
- al Biruni
- Nasir ad-Din at-Tusi
- Al Hazen
Nasir al-Din al-Tusi im Observatorium in Maragha, Persien
(Britisch Library, Wikimedia commons)
Referenzen
Andere Episoden
- Episode 17: Kooperation
- Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
Prof. Rüdiger Lohlker
Fachliche Referenzen
- Thomas Bauer, Die Vereindeutigung der Welt, Reclam (2018)
- Gotthart Strohmaier, Avicenna, C.H. Beck (2017)
- Ulrich Rudolph, Islamische Philosophie, C.H. Beck (2018)
- Georg Bossong, Das Maurische Spanien, C.H. Beck (2016)
- Ramon Llull
- Gerhard von Cremona
- Ibn Sina (Avicenna)
- Al-Biruni (BBC – In Our Time)
- Nasir al-Din al-Tusi
- Die Dynamische Interpretation der Himmelsscheibe von Nebra, mit Erklärung des Tusi-Paars, Sternwarte Recklinghausen
- Alhazen (Abu Ali al-Hasan ibn al-Haitham)
- Uwe Springfeld, Das Mekka der Naturwissenschaften, SWR2 Wissen, 2. Jänner 2003 (Al Hazen)
- The instruments of Istanbul Observatory
- Jonah Lehrer, A Physicist Solves the City, Artikel über Geoffrey West, New York Times, 17. Dez. 2010
- Muslim Heritage Website
- Nidhal Guessoum, Islam’s Quantum Question: Reconciling Muslim Tradition and Modern Science
- Janet Abu-Lughod, Before European Hegemony: The World System A.D. 1250-1350
Friday Nov 06, 2020
033 – Naturschutz im Anthropozän – Gespräch mit Prof. Frank Zachos
Friday Nov 06, 2020
Friday Nov 06, 2020
»Anthropozän« bedeutet, dass der Mensch zur bestimmenden Kraft des Planeten geworden ist. Aus dieser Tatsache heraus folgt eine Verantwortung, die sich auch im Gedanken des Naturschutzes widerspiegelt.
In dieser Episode führe ich ein Gespräch mit Prof. Frank Zachos, der ein Studium der Biologie, Philosophie und Wissenschaftsgeschichte in Kiel und Jena absolviert hat und heute Leiter der Säugetiersammlung am Naturhistorischen Museum in Wien ist. Seine Forschungsinteressen sind im Bereich der Biodiversität, Evolution, Systematik und Taxonomie, wobei sein theoretisches Hauptinteresse beim Artproblem in der Biologie sowie dessen philosophischen Grundlagen und historischer Entwicklung liegt.
Unser Gespräch findet im Naturhistorischen Museum in Wien statt, was ein perfektes Ambiente geboten hat um die Geschichte des Naturschutzes aber auch die Rolle von Museen in der Vergangenheit und Zukunft für Naturschutz und Wissenschaft zu diskutieren.
»Die Wildnis sei deformiert. Obwohl Buffon ein Jahr vor der französischen Revolution starb, hielten sich seine Ansichten über die Neue Welt hartnäckig. […] Nur die kultivierte Natur sei schön, schrieb Buffon. Humboldt hingegen warnte, dass man begreifen müsse, wie die Kräfte der Natur wirkten, wie alle diese verschiedenen Fäden miteinander verknüpft seien.«, Andrea Wulf, Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur
Wann haben wir als Menschen begonnen die Natur als »schützenswert« zu erkennen? Es gibt erste Bestrebungen die Natur systematisch zu schützen, etwa in Gran Paradiso–Italien. Allerdings war die Motivation, die Tiere für adelige Jagd zu erhalten. Später wurde daraus der Gran Paradiso Nationalpark. Auch die Nationalparks in den USA gelten als Beispiel.
Was aber ist die Voraussetzung für das Verständnis von Biodiversität? Natürlich ein Begriff von Art, eine Aufteilung der lebendigen Welt. Wie hat sich dies über die menschliche Geschichte entwickelt? Wie funktioniert Taxonomie in der modernen Biologie? Erfassung und Klassifizierung der Lebewesen gilt heute als eine der Fundamental-Disziplinen der Biologie.
Taxonomie hat unterschiedliche Ansätze, wir sprechen kurz über die Rolle von Morphologie vs. Genetik (auch mit einem Rückblick auf den wichtigen österr. Biologen Rupert Riedl), sowie Fortschritte der Technik sowohl im Bereich der Gen-Analyse wie aber auch in der Morphologie. Taxonomie hat aber auch Herausforderungen: sie ist ein diskretes Prinzip, Evolution aber ein kontinuierlicher Prozess. Man stülpt ein diskretes auf ein kontinuierliches Prinzip – da gibt es Reibungen. Was bedeutet dies und was sind die Konsequenzen?
Verlassen wir dann die Vergangenheit: Gibt es eine Veränderung, wie »Naturschutz« gesehen und betrieben wird, vor allem in die Zukunft gedacht? Conservation Biology wurde zunächst im Deutschen als Artenschutz übersetzt, später aber Naturschutzbiologie genannt – es geht eben nicht nur um einzelne Arten.
Naturschutz ist nicht nur im Kern ein biologisches Thema sondern hat natürlich Konsequenzen für Handel, Wirtschaft und zeigt auch durchaus überraschende rechtliche Folgen. Welche Rolle spielt also der Mensch im Naturschutz und wie sollten wir das Zusammenspiel Mensch/Natur in die Zukunft denken?
Was ist etwa die Rolle unseres Lebensstils sowie der Größe der menschlichen Population? Die globale Mittelschicht ist verantwortlich für den Klimawandel, die Biodiversitätskrise und das Artensterben. Es gibt ca. seit 150 Jahren Nationalparks: in dieser Zeit ist die menschliche Population von 1 Milliarde Menschen auf 8 Milliarden Menschen angewachsen.
»mit dem exponentiellen menschlichen Wachstum steigt auch der Verlust der Biodiversität«
Welche Rolle spielen Museen und Zoos, auch im Zusammenspiel mit Universitäten und der interessierten Öffentlichkeit um diese Probleme zu thematisieren und besser zu verstehen?
Dann diskutieren wir systemische und philosophische Aspekte. Wie nehmen wir Natur war und was hat das mit unserem Erkenntnisapparat zu tun? Ist die Klassifikation von Mustern tief in unseren Genen verankert und damit »Schubladendenken«? Auch philosophische Strömungen des 20. Jahrhunderts haben sich an diese Erkenntnisse angelehnt, so etwa die evolutionäre Erkenntnistheorie.
Unser Erkenntnisapparat ist nicht evolviert um uns mit Quantenmechanik oder Mathematik auseinanderzusetzen. Außerdem und das hat auch fatale Konsequenzen – denken wir in Linearitäten. Das Exponentielle verstehen wir nicht. Die negativen Folgen sehen wir in unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik, bei Pandemien und der Zerstörung unseres Lebensraumes.
Wir sind also als Menschen »getuned« auf den Meso-Kosmos.
»Die Selektion hat uns Anschauungsformen gemäß den Aufgaben in noch höchst einfachen Lebensbereichen eingebaut. Und mit Anschauungen von gestern unterwerfen wir uns eine Welt von morgen.«, Rupert Riedl
Am Ende noch eine (nicht ganz ernstgemeinte) Frage über De-Extinction – wird Prof. Zachos den Dodo mit modernster Technik wieder ins Leben rufen? Die Antwort auf diese und alle anderen Fragen (und auch: warum die Adam und Eva oder die Arche Noah Idee in der Realität nicht funktioniert) im Gespräch.
Welche Rolle »Nessie« übrigens in dieser ganzen Thematik spielt – erfahren Sie ebenfalls in der Episode!
Referenzen
Prof. Frank Zachos
Andere Episoden
- Episode 21: Der Begriff der Natur – oder: Leben im Anthropozän
- Episode 22: Biodiversität und komplexe Wechselwirkungen – Gespräch mit Prof. Franz Essl
Fachliche Referenzen
- Frank Zachos, Species Concepts in Biology, Springer (2016)
- Frank Zachos, Jan Habel, Biodiversity Hotspots, Springer (2011)
- Stephen Garnett et al, Principles for creating a single authoritative list of the world’s species, PLOS Biology (2020)
- Andrea Wulf, Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur, C. Bertelsmann (2016)
- Gran Paradiso National Park
- Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)
- Peter Scott & Robert Rines, Naming the Loch Ness Monser, Nature (1975)
- California Gnatcatcher
- Rote Liste
- Biodiversitätsv-Hotspots
- Carl Zimmer, Frühwarnsysteme für bedrohte Welten, Spektrum der Wissenschaft, Dez. 2012
Thursday Oct 15, 2020
032 – Überleben in der Datenflut – oder: warum das Buch wichtiger ist als je zuvor
Thursday Oct 15, 2020
Thursday Oct 15, 2020
Wir leben in immer schnelleren Zeiten. Um hier nicht den Anschluss zu verlieren, müssen wir auch unsere Informationskanäle beschleunigen: Soziale Medien, Videos, Newsfeeds... Bücher sind da ein überflüssiger Anachronismus und haben im 21. Jahrhundert keinen Platz mehr.
Oder doch?
In dieser Episode provoziere ich wieder zum Widerspruch.
Was sind Daten und was ist Information? Braucht man in einer (angeblich) schnellen Zeit wirklich schnellere Medien, oder ist die Krise in der wir stecken vielleicht eine Folge dieses Irrtums?
Information ist »irgendein Unterschied, der bei einem späteren Ereignis einen Unterschied macht«, Gregory Bateson (zitiert aus K. P. Liessmann, Theorie der Unbildung)
Was ist das Signal/Rausch-Verhältnis moderner Medien? Gibt es überhaupt News, und wenn ja, helfen uns diese weiter? Vermissen wir irgendetwas, oder ist fear of missing out schlicht eine Marketing-Strategie um uns Unsinn zu verkaufen und abhängig zu machen?
Welche Rolle spielt das Buch in dieser Gemengelage und in welcher Form sollten wir es lesen?
Referenzen
Andere Episoden
- Episode 2: Was wissen wir?
- Episode 9: Abstraktion: Platos Idee, Kommunismus und die Zukunft
- Episode 16: Innovation und Fortschritt oder Stagnation?
Fachliche Referenzen
- Konrad Paul Liessmann, Theorie der Unbildung, Piper (2008)
- Douglas Rushkoff, Team Human (2019)
- Sherry Turkle, Alone Together, Basic Books (2017)
- Tristan Harris, How Technology is Hijacking Your Mind — from a Magician and Google Design Ethicist
- The Reading Brain in the Digital Age: The Science of Paper versus Screens, Scientific American (2013)
- Lisa Allcott, Reading on-screen vs reading in print: What's the difference for learning? (2019)
- Jill Barshay, Evidence increases for reading on paper instead of screens, Hechinger Report (2019)
Thursday Sep 24, 2020
031 – Software in der modernen Gesellschaft – Gespräch mit Tom Konrad
Thursday Sep 24, 2020
Thursday Sep 24, 2020
Vor fast 10 Jahren hat der Slogan des IT-Unternehmers und Gründers von Netscape Marc Andreessen »Software isst die Welt« (»Software is eating the world«) seine Kreise gezogen. Er hatte mit einem Recht: Software ist das digitale Nervensystem unserer modernen Gesellschaft geworden. Es gibt keine Lebensbereiche mehr – vom fließenden Wasser über die Versorgung mit Lebensmitteln, Mobilität, Kommunikation, Medizin bis zur Politik und Verwaltung – die nicht vollständig von Software abhängig geworden ist.
Die meisten traditionellen Unternehmen und Organisationen (auch Verwaltungen) haben diese fundamentale Erkenntnis noch nicht vollzogen: sie sind in den letzten Jahrzehnten (ob sie das wollen oder nicht) zu Software-Unternehmen geworden, mit allen positiven aber auch negativen Effekten.
Dabei haben wir als Management, als Entwickler, als Fachbereiche, als Nutzer, als Gesellschaft vergessen auf die Qualität und die Architektur dieser überlebenswichtigen Systeme zu achten. Software hat – ohne dass das den meisten Menschen bewusst wäre – vielfach bei weitem nicht die Qualität, die für die Rolle die sie spielt angemessen und notwendig wäre. Etwas direkter ausgedrückt: wir haben ein richtiges, tiefreichendes Problem.
In dieser Episode spreche ich mit Tom Konrad, einem Kollegen von mir und langjährigen Software- und Security-Experten über dieses Themenfeld. Er ist seit über zehn Jahren als Penetration-Tester und Software-Entwickler im Security-Team bei SBA Research tätig und ist Mitbegründer der sec4dev-Konferenz, einer Security-Konferenz speziell für Softwareentwickler.
Eine wichtig Anmerkung dabei: Dieses Gespräch richtet sich nicht in erster Linie an Techniker oder Software-Entwickler, sondern auch und besonders an nicht-Experten. An eine breitere Gesellschaft, Bürger, Management und Politik.
Wir sprechen über die Rolle von Software in unserer Gesellschaft, welche gravierenden Folgen mangelnde Qualität bereits heute hat und was für die Zukunft zu erwarten ist.
Was bedeutet dies für kritische Infrastruktur und wie kommt es, dass große Unternehmen nicht in der Lage sind etablierte (und offen gesagt langweilige) Standardsoftware einzuführen und diese Projekte häufig in große Probleme mit Millionen-Verlusten geraten?
Als Nutzer, der nicht hinter die Kulissen blicken kann, lassen wir uns zu häufig vom »Glanz an der Oberfläche« täuschen. Tatsächlich ist Software heute mehr eine Art von Archäologie, wo die Aquädukte der Römer noch ein Kern-Bestandteil der Wasserversorgung einer modernen Stadt sind (ohne, dass die meisten Bürger das wissen und ohne, dass wir in der Lage sind, diese noch zu warten).
Wir haben die zahlreichen neuen Möglichkeiten (Programmiersprachen, Tools, Prozesse) leider nicht genutzt, um wichtige Software stabiler und besser zu machen, sondern um immer mehr Software auf fragwürdigem Niveau zu entwickeln.
Welche Rolle spielt dabei Komplexität verteilter Systeme? Wie steht es um Abhängigkeiten innerhalb und außerhalb von Unternehmen? 80% des Softwarecodes eines typischen Softwareprojektes sind externe Abhängigkeiten, die nicht im direkten Einflussgebiet der Entwickler liegen, aber integraler Teil der eigenen Software sind.
Zuletzt stellen wir die Frage: wie können wir diese fundamentale Infrastruktur auf ein Qualitätsniveau heben, das unbedingt für eine resiliente Gesellschaft notwendig ist? Wer hat welche Verantwortung? Was ist konkret die Verantwortung von Entwicklern? Vom Management? Von Gesellschaft und Politik? Wie verhält es sich mit kurzfristigen und langfristigen Anreizsystemen? Was ist die geopolitische Dimension und – in die Zukunft gedacht – für Europa?
Wir benötigen neue Narrative – organische Bilder. Software ist viel besser als Ökosystem begreiflich als als »technisches System des 19. Jahrhunderts« oder als »Projekt«. Wir brauchen aber auch klare gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen und Gesetze.
Referenzen
Tom Konrad
Andere Episoden
- Episode 30: (Techno)Optimismus – ein Gespräch mit Tim Pritlove
- Episode 27: Wicked Problems
- Episode 24: Hangover, Was wir vom Internet erwartet und was wir bekommen haben – Gespräch mit Peter Purgathofer
- Episode 19 und Episode 20: Offene Systeme
- Episode 10: Komplizierte Komplexität
fachliche Referenzen
Thursday Sep 03, 2020
030 – (Techno-)Optimismus – ein Gespräch mit Tim Pritlove
Thursday Sep 03, 2020
Thursday Sep 03, 2020
Wie optimistisch können wir in die Zukunft blicken und welche Rolle spielt dabei Technologie?
»Ohne Optimismus kann man auch gleich im Bett bleiben«
In dieser Episode spreche ich mit Tim Pritlove. Tim ist »Nerd« der frühen Stunde und seit den 1980er Jahren im Hacker-Umfeld (auch des Chaos Computer Clubs) »sozialisiert« worden. So war er auch über viele Jahre in der Organisation des Chaos Communication Kongresses tätig.
Seine Interessen sind aber deutlich vielseitiger. So hat er sich mit dem Projekt Blinkenlights einen Namen als Medienkünstler gemacht und gilt heute als einer der führenden deutschen Podcaster. Dabei beschränkt er sich nicht auf Themen im Umfeld von Computern und Technik, sondern betreibt Podcasts um wissenschaftliche Themen für einer breiteren Zuhörerschaft verständlich zu machen, im Bereich von (Netz)Politik aber auch Unterhaltung im weiteren Sinne.
In dieser Episode unterhalten wir uns über Füchse und Igel (nach Phil Tetlock), das heißt wir stellen die Frage, welche Rolle Generalisten und Spezialisten in unserer Gesellschaft im allgemeinen haben, und wie »Nerds« hier einzuordnen sind.
Wie werden Entscheidungen getroffen? Welche Herausforderungen muss die Demokratie meistern um nicht in eine Expertokratie oder in Populismus abzugleiten?
Welche Rolle spielt dabei Kommunikationstechnologie? Sind die Erwartungen seit jeher überzogen oder gibt es keine gemeinsame Zukunft ohne globale Kommunikationsmittel? Wie wird Demokratie durch die neuen Möglichkeiten verändert (z.B. Liquid Feedback, Wahlmaschinen) und was sollte man überhaupt ändern? Wie geht man mit Extremisten, mit Trollen um, wo endet Meinungsfreiheit?
»Unser inhaltlicher Umgang mit Wahnsinn gehört überarbeitet.«
Wie sind die Ideen der »Nerds« und Autodidakten der 1980er und 1990er Jahre heute zu bewerten? Skalieren die oftmals idealistischen Ideen der damaligen Zeit? Von welchen Fehleinschätzungen sollten wir für die Zukunft lernen?
Wie gehen wir mit den techno-sozialen »Wellenbewegungen« um? Vom Compuserve und AOL der 1990er Jahre über das »freie Internet« zurück zum Compuserve des 21. Jahrhunderts mit dem Namen Facebook? Wie sieht die nächste Welle aus?
Welche Rolle spielt Geschwindigkeit oder Langsamkeit – In der Adoption von Technik, in gesellschaftlichen Phänomenen und demokratischen Prozessen?
»In einem gesellschaftlichen System brauchst du genug Zeit um die Leute mitzunehmen […] Geschwindigkeit, schnelle Entscheidung ist per se keine Qualität«
Hat Europa den Anschluss bei strategischen Technologien verloren? Entscheiden wir in Europa überhaupt noch selbst, oder müssen wir zur Kenntnis nehmen, was in anderen Teilen der Welt definiert wird?
Wie verändert sich Kommunikation? Sind Menschen wirklich nur an Soundbites interessiert – wie von Legacy-Medien immer behauptet wurde, warum ist dann gerade heute das Interesse an Langformen auf YouTube oder auch bei Podcasts so beliebt? Ändert sich die Kommunikation in einer Krise?
»In Momenten der real erlebten Krise sind die allermeisten Leute in der Lage sich zusammenzuraufen-es kann dann schon sehr schnell gehen.«
Solutionism: verlieren wir uns in technischen Visionen (wie dem E-Auto, Kolonialisierung des Weltraums, Singularitätsphantasien) anstatt die klügsten Menschen an den größten Probleme der Zeit arbeiten zu lassen?
»Über kurz der lang wird es das Internet gebraucht haben« »Ich kann mir keinen Planeten Erde vorstellen […], der kein globales Kommunikationssystem hat. Aber wir sind noch lange nicht da.«, alle Zitate von Tim Pritlove
Referenzen
Tim Pritlove
- Tim auf Twitter
- Metaebene auf Twitter
- Chaos Computer Club
- Chaos Communication Congress (Event Blog, Wikipedia)
- Projekt Blinkenlights (Wikipedia)
- Metaebene – Das »Dach« des Podcast-Imperiums
- Podcasts (eine Auswahl)
Andere Episoden
- Episode 26: Was kann Politik (noch) leisten? Ein Gespräch mit Christoph Chorherr
- Episode 24: Hangover: Was wir vom Internet erwartet und was wir bekommen haben – Gespräch mit Peter Purgathofer
- Episode 19 und Episode 20 zu Offenen Systemen, hier gibt es ebenfalls zahlreiche Ergänzungen zu den mit Tim diskutierten Themen
- Episode 15 und Episode 16: was hat es mit Innovation und Fortschritt auf sich?
- Episode 31: Die Rolle von komplexen Software-Systemen in unserer Gesellschaft, Gespräch mit Thomas Konrad
Fachliche Referenzen
Friday Aug 21, 2020
029 – Fakten oder Geschichten? Wie gestalten wir die Zukunft?
Friday Aug 21, 2020
Friday Aug 21, 2020
Eine Episode die zum Nachdenken anregen soll, und die Motivation dieses Podcasts reflektiert:
»Fakten sind wichtig aber nicht entscheidend.«
Werden wir geschoben – von der Vergangenheit, den Problemen, den bestehenden Narrativen, oder agieren wir, denken wir aktiv über die Zukunft nach – ziehen wir uns also in Richtung Zukunft?
Übernehmen wir die Verantwortung über unser Leben und die Zukunft der Gesellschaft oder verlieren wir uns in Zynismus – das Handeln ist alternativlos...?
»Menschen sind die Produkte der Geschichten, die sie über sich selbst erzählen, die ihre Gemeinschaft über sich erzählt. Fakten spielen dabei höchstens eine untergeordnete Rolle.«, Philip Blom
Welche Rolle spielen dabei Narrative, Fakten, Wissenschaft, Geschichten?
»Those who tell the stories run the world.«, George Mobiot
Was bedeutet das? Wie kommen wir zu Entscheidungen? Wie verändern wir die Welt?
»Bewegungen, welche die Welt zu verändern suchen, beginnen oft damit, dass sie die Geschichte umschreiben und die Menschen damit in die Lage versetzen, sich die Zukunft neu auszumalen.«, Yuval Noah Harari
Schreiben Sie mir Ihre Meinung!
Referenzen
Andere Episoden
- Episode 12: Wie wir die Zukunft entdeckt und wieder verloren haben
- Episode 25: Entscheiden unter Unsicherheit
- Episode 27: Wicked Problems
- Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
Fachliche Referenzen
- Konrad Paul Liessmann, Leben mit dem Virus
- Philip Blom, Was auf dem Spiel steht, Hanser (2017)
- George Mobiot, Out of the Wreckage, Verso (2017)
- Yuval Noah Harari, Homo Deus, Eine Geschichte von Morgen, C. H. Beck (2018)
- Evgeny Morozov, To Save Everything, Click Here, Penguin (2014)
- Julia Shaw, Das trügerische Gedächtnis, Heyne (2018)
- Andrea Schuhmacher, Das betrogene Ich, Die Zeit 13. Oktober 2009
Monday Aug 03, 2020
028 – Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
Monday Aug 03, 2020
Monday Aug 03, 2020
Ich freue mich in dieser Episode wieder einen sehr interessanten Gast begrüßen zu dürfen, Prof. Jochen Hörisch.
Jochen Hörisch, geboren 1951, studierte Germanistik, Philosophie und Geschichte. Ab 1988 war er Ordinarius für neuere Germanistik und Medienanalyse an der Universität Mannheim. Er bekleidete zahlreiche Gastprofessuren an anderen Universitäten in Europa sowie den Vereinigten Staaten. Er ist mittlerweile emeritiert und hat sich dankenswerterweise zu einem online Gespräch mit mir bereiterklärt.
In früheren Episoden, wie #16 und #18 habe ich mich schon kritisch mit dem aktuellen Zustand von Forschung und Universität auseinandergesetzt. So manche Innovation die heute bejubelt wird, scheint mehr Theaterdonner als tatsächlicher Fortschritt zu sein.
In Episode 11 habe ich die Frage gestellt, wie man mit schwierigen ethischen Fragen umgehen sollte, auch mit solchen, die sich aus der Technik und Wissenschaft heraus ergeben, innerhalb dieser aber nicht entschieden werden können oder sollten. In Episode 27 stelle ich Wicked Problems zur Diskussion und die Rolle, die Generalisten für die Lösung der wesentlichen Probleme unserer Zeit spielen (werden).
Daraus ergeben sich zwei wesentliche thematische Aspekte, mit denen wir uns in dieser Episode auseinandersetzen werden:
(1) Die Rolle der Universität für unseren Lebensstandard, Kultur und Zukunft und damit verbunden: der Zustand der heutigen Universität in Deutschland und Österreich
(2) Wir neigen dazu, wichtige Fragen der Zeit, die die Gesellschaft in einem breiteren Sinne betreffen, sehr stark aus einem technisch/naturwissenschaftlichen oder ökonomischen Blickwinkel zu betrachten, mit allen daraus folgenden Problemen. Naturwissenschaft und Technik erzeugt (fast immer) geisteswissenschaftliche oder kulturwissenschaftliche Probleme und Fragen.
So sprechen wir unter anderem über die Frage, wie die heutige Universität historisch zu verorten ist, über die platonische Akademie, die Häuser der Weisheit sowie die Humboldtsche Bildungsreform. »Abweichler und Häretiker« haben dabei immer eine wichtige Rolle gespielt und einen Platz bekommen.
Heute aber ist an den Universitäten die Bologna-Professionalität eingezogen, es wird gemessen, gemanaged – die Leidenschaft ist dahin? Wir haben wohl auch bei einem Etikettenschwindel mitgemacht. Was internationalisiert werden sollte wurde bürokritisiert und verschult. Wo freies Denken möglich sein sollte herrscht das Geld, oder Geld-artige Anreizsysteme.
Wo Prozess-Steuerung und Performance-Indikatoren Einzug halten geht da nicht nur die Leidenschaft sondern auch die Qualität des Werkes verloren?
Wir stellen uns weiters die Frage, ob originelle Charaktere, Intellektuelle (»Abweichler«) noch eine Chance auf eine Uni-Karriere in Zeiten stromlinienförmiger Institute und Manager haben?
Was ist die Rolle von Generalisten heute und für die Zukunft?
Auch die Kultur- und Geisteswissenschaften müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie ihre (wichtige) Rolle in der Verortung des (technisch/naturwissenschaftlich/ökonomischen) Wissens hinreichend Ernst nehmen, in Diskurs mit der Öffentlichkeit gehen, ob sie Narrative, die unsere Gesellschaft treiben hinterfragen und kritisieren.
Nicht zuletzt beschreibt Prof. Hörisch die Rolle der Philosophie aber auch verschiedener vermeintlicher Orchideenfächer. Er betont die Rolle bekennender Dilettanten und philosophischer Narren.
Wir sollten wieder für eine Alma Mater Libido, für eine libidinöse Universität kämpfen, die sich nicht scheut anstössig zu sein, die nackte Wahrheit freilegen möchte.
"Wissenschaft ist obszön, sie stellt das auf die Bühne, was andere zunächst nicht sehen wollen"
"Ohne Tabubrechen ist die Universität nicht zu haben“
Arbeiten wir also gemeinsam an einer libidinösen und denkanstössigen Universität der Zukunft!
Referenzen
Prof. Jochen Hörisch
Andere Episoden
- Episode 11: Ethik, oder: Warum wir Wissenschaft nicht den Wissenschaftern überlassen sollten!
- Episode 16: Innovation und Fortschritt oder Stagnation?
- Episode 18: Gespräch mit Andreas Windisch: Physik, Fortschritt oder Stagnation
- Episode 27: Wicked Problems
Fachliche Resourcen
- Jochen Hörisch, Die ungeliebte Universität – Rettet die Alma Mater, Hanser (2006)
- Jochen Hörisch, Das Geld der Wissenschaft (2016)
- Konrad Paul Liessmann, Kant, Dienst ohne Vorschrift (2004)
- Konrad Paul Liessmann im Interview mit Robert Misik
- Philipp Blom, Was auf dem Spiel steht, Hanser (2017)
- George Monbiot, Out of the Wreckage, Verso (2017)
- Zymunt Bauman, Retrotopia, Suhrkamp (2017)
- Noah Yuval Harari, Homo Deus, Eine Geschichte von Morgen, C. H. Beck (2018)
- Erwin Schrödinger, What is Life? (1944)
- Michel Serres, Was genau war früher besser?, Suhrkamp (2019)
Monday Jul 13, 2020
027 – Wicked Problems
Monday Jul 13, 2020
Monday Jul 13, 2020
In Episode 25 haben wir uns mit Entscheiden unter Unsicherheit auseinandergesetzt. Wann macht Evidenz-basiertes Entscheiden Sinn, wann müssen wir andere Strategien anwenden. Dies war ein erster Aufschlag zu diesem Thema.
In dieser Episode greifen wir einen der kurz erwähnten Aspekte auf und vertiefen ihn: Wicked Problems.
Mit dem einflussreichen Fachartikel aus dem Jahr 1973 haben Horst Rittel und Melvin Webber den Begriff eingeführt, ins Deutsche vielleicht mit »bösartige Probleme« übersetzbar.
Wir werden uns mit der Frage auseinandersetzen was Wicked Problems von Tame Problems also »zahmen Problemen« unterscheidet und welche Rolle Effizienz dabei spielt.
Rittel und Webber beschreiben 10 Charakteristika von wicked problems, die ich auf 4+1 Aspekte zusammenfasse. Die Erkenntnisse dieses fast fünfzig Jahre alten Artikels sind heute gültiger als zur Zeit der Veröffentlichung.
Das zeigen zahlreiche neuere Publikationen, die die Terminologie und Konzepte aufgreifen. Ich wähle beispielhaft zwei hervor: David Epstein (Range) und Chris Clearfield (Meltdown). Beide beschäftigen sich mit der Frage, wie wir mit den heute überall zu sehenden wicked problems und wicked domains umgehen sollen.
Was ist die Konsequenz für unsere Zukunft? Schule, Universität, Politik, Management?
Und nicht zuletzt: was halten wir von Experten, oder besser gesagt: wie können wir Experten, denen wir täglich in den Medien begegnen einschätzen?
Referenzen
- Horst Rittel, Melvin Webber, Dilemmas in a General Theory of Planning, Policy Sciences 4 (1973), 155-169
- Peter Kruse, Wie reagieren Menschen auf Komplexität?
- Peter Kruse, Next Practice, Gabel (2004)
- David J. Epstein, Range: Why Generalists Triumph in a Specialized World, Riverhead (2019)
- Chris Clearfield, Meltdown: Why systems fail and what we can do about it, Atlantic (2018)
- Philip Tetlock, Superforecasting. The Art and Science of Prediction, Cornerstone (2015)
- Roger Willemsen: Die Kunst des Streitens in der Mediengesellschaft, Keynote (2014)
Monday Jun 22, 2020
026 – Was kann Politik (noch) leisten? Ein Gespräch mit Christoph Chorherr
Monday Jun 22, 2020
Monday Jun 22, 2020
In dieser Episode spreche ich mit Christoph Chorherr über die Herausforderungen und Chancen von Politik für die Gestaltung unserer Zukunft.
Christoph Chorherr war langjähriger Politiker und Stadtplaner. Er war etwa Stadtrat der Grünen in Wien, sowie Bundesprecher der Grünen. 2008 gründete er in Südafrika das Ithuba Skills College, eine Schule in einer Township nahe Johannesburg. Er ist seit Anfang 2019 aus der aktiven Politik zurückgetreten und eröffnet Ende 2019 gemeinsam mit Helmut Gragger eine Bio Holzofen-Bäckerei.
In diesem Gespräch freue ich mich über die langjährige politische Erfahrung von Christoph Chorherr um über Politik und die Gestaltungsmöglichkeiten die Politik heute bietet zu diskutieren.
Wir beginnen das Gespräch mit seiner persönliche Motivation, die ihn in die Politik geführt hat – »Engagement lohnt sich«. Wir stellen die Frage, was wir aus »Corona« lernen können. Ist Politik alternativlos oder kann sie gestalten? Wenn ja, in welcher Weise und auf welchen Ebenen?
Technologie spielt eine immer wichtige Rolle in der Lebenswelt vieler Menschen. Erleben wir gerade ein Auseinanderdriften in moralisierende Lager, Twitter- und Facebook-Blasen? Wie gehen wir mit widersprechenden Positionen um und wie können wir wieder zueinander und zu einem konstruktiven Dialog finden?
Wir sprechen weiters über die Schwierigkeit der Prognose, Irrtümer und wie man daraus lernt:
Wird die Welt immer besser oder schlechter? In einem zum Teil inneren Dialog (am Beispiel von systemischen Effekten, Ökologie, der Zukunft Afrikas und des Gesundheitssystems) spricht der Optimist Christoph Chorherr mit dem Pessimisten und verhandelt einen Weg aus dem Dilemma.
Wo treffen wir sinnvollerweise die immer schwieriger werdenden Entscheidungen der Zeit? Global, top down, oder eher im Lokalen, im Kleinen?
Am Beispiel von Steve Bannon zeige ich die Gefahr zynischer Interpretationen der kritischen Lage der Welt auf und stelle die Frage, wie es gelingen kann, zu einer gemeinsamen, solidarischen Interpretation und Handlungsmacht zu gelangen. Homo homini lupus? Oder ist der Mensch doch gut, wenn man den richtigen Wolf füttert?
Wie greifen noch einmal die Ambiguitäten der moderen (sozialen) Medien auf? Trennen oder vereinen sie uns? Machen sie uns klüger oder doch dümmer? Wir gelangen mit dieser Frage zur Bedeutung von Bildung, aber welcher Bildung? Einer digitalten oder gar einer (altmodischen) humanistischen Bildung? Nimmt die Aufmerksamkeit stetig ab und wollen die Menschen nur mehr Soundbites – warum hören sie dann politische Podcasts die mehrere Stunden dauern?
Zuletzt sprechen wir über die Bedeutung von Entschleunigung im Prozess der Zivilisierung und die verschiedenen Gesichter der Transparenz.
Zum Abschluss stellen wir die Frage, wie man (Partei-) Politik wieder mehr Menschen zugänglich machen kann. »Wir haben eine Denunziation des politischen Engagement« in den letzten Jahrzehnten erlebt. Können wir das umdrehen? Sind Parteien doch gar keine so schlechte Idee und »Immunisieren gegen den Durchmarsch charismatischer Verrückter«. Und wie gehen wir als Europäer mit der »chinesischen Herausforderung« um?
Christoph Chorherr endet mit einer Frage zum Weiterdenken: wie können wir die Partien, die im 19. Jahrhundert gegründet wurden fit für das 21. Jahrhundert machen?
Referenzen
Christoph Chorherr
andere Episoden
- Episode 24: Hangover – Was wir vom Internet erwartet und was wir bekommen haben
- Episode 17: Kooperation
- Episode 12: Wie wir die Zukunft entdeckt und wieder verloren haben
- Episode 7, Episode 8: Alles wird besser (oder nicht?)
fachliche Referenzen
- Hans Rosling
- Steven Bannon
- Douglas Rushkoff
-
Richard David Precht – Entschleunigung (Sternstunde Philosophie)
-
Transparenzgesellschaft
Friday May 29, 2020
025 – Entscheiden unter Unsicherheit
Friday May 29, 2020
Friday May 29, 2020
Thema dieser Episode ist Entscheiden unter Unsicherheit oder etwas genauer, Unter welchen Voraussetzungen sind evidenzbasierte Entscheidungen angebracht, und wie ist unter Unsicherheit, also etwa bei komplexen Problemen zu entscheiden.
Auch dies ist wieder keine Corona-Episode im engeren Sinne, wenngleich die Corona-Krise ein gutes Beispiel für eine Situation ist, wo evidenzbasierte Entscheidung nur bedingt möglich ist.
Zunächst gibt es wieder einmal einen Blick in die Vergangenheit: Was können wir von James Lind, Florence Nightingale, Archie Cochrane und John Ioannidis über Fortschritt in der Medizin und evidenzbasiertes Entscheiden lernen?
Was sind die Voraussetzungen, damit man in einer bestimmten Problemlage evidenzbasiert Entscheiden kann?
Zunächst versuche ich Risiken in drei Klassen einzuteilen und mit Beispielen zu unterlegen um damit deutlich zu machen, dass es von großer Bedeutung ist zunächst einmal zu verstehen, mit welcher Art von Risiko wir es in einem konkreten Fall überhaupt zu tun haben. Darf man etwa
- Masern
- Herzinfarkt
- Autounfälle
- Ertrinken im Swimmingpool
- politische Konflikte
- Covid-19
- Finanzmärkte
- Klimakrise
miteinander vergleichen? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Wann ist ein System oder ein Problem komplex und was bedeutet das für Entscheidungen?
Unter welchen Voraussetzungen ist schnelles und aggressives Handeln das Mittel der Wahl, unter welchen Deliberation und Bezug auf vergangene Ereignisse?
Ist rationales Entscheiden Intuition und Bauchgefühl immer überlegen? Warum wird dann so häufig defensiv oder pseudo-rational entschieden?
Wenn man über ein akutes Problem hinausblickt: wie kann man sich für die Zukunft vorbereiten? Welche systemischen Aspekte könnte man bedenken
- Vorbereiten auf Tail Risks
- Resilienz vs. Effizienz
- Vielfalt statt Einfalt
- Verteilung statt Konzentration
- enge oder lockere Kopplung?
- Versicherung
In dieser Episode wird es wieder einige Anregungen zum Weiterdenken geben, aber wir müssen auch einige Aspekte für spätere Episoden offen lassen, z.B.
- Eine vertiefte Betrachtung komplexer Systeme und deren Probleme, z.B. »Wicked Problems«
- Solutionism – wie Technik unseren Blick auf Probleme verwirren kann
- Atomwaffen und internationale Politische Konflikte
Referenzen
andere Episoden
- Episode 27: Wicked Problems
- Episode 23: Frozen Accidents
- Episode 22: Biodiversität und komplexe Wechselwirkungen – Gespräch mit Prof. Franz Essl
- Episode 13 und 14 – (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 1 & Teil 2
- Episode 10: Komplizierte Komplexität
- Episode 6: Messen, was messbar ist?
fachliche Referenzen
- John Ioannidis
- James Lind: The man who helped to cure scurvy with lemons, BBC
- Florence Nightingale – Data Scientist
- Florence Nightingale as Statistician, Edwin W. Kopf, Publications of the American Statistical Association, Vol. 15, No. 116 (Dec., 1916)
- Florence Nightingale, datajournalist: information has always been beautiful, The Guardian (2010)
- Presentation by Prof. Lynn McDonald at Gresham College. (30. Oct., 2014)
- Archie Cochrane
- Archie Cochrane: - 1971 Rock Carling Fellowship monograph Effectiveness and Efficiency: Random Reflections on Health Services, first published in 1972 by the Nuffield Provincial Hospitals Trust
- Archie Cochrane and his vision for evidence-based medicine, Hriday M. Shah, Kevin C. Chung (2009)
- Tim Harford, Trial and Error (2012)
- Flash Crash
- Neil Johnson, Abrupt rise of new machine ecology beyond human response time, Nature Scientific Reports (2013)
- Chris Clearfield, Meltdown: Why systems fail and what we can do about it (2018)
- The Artificial Intelligence Revolution: Part 1 - Wait But Why (2015)
- Gerd Gigerenzer
- Peter Kruse
- Nassim Taleb
- Steve Jobs on Consulting