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Thursday Feb 13, 2025
117 — Der humpelnde Staat, ein Gespräch mit Prof. Christoph Kletzer
Thursday Feb 13, 2025
Thursday Feb 13, 2025
Die heutige Episode hat wieder viel Spaß gemacht. Zu Gast ist Prof. Christoph Kletzer. Ich bin auf ihn gestoßen über einen Artikel in der Presse mit dem Titel »Der humpelnde Staat« — und das soll auch der Titel dieser Episode sein.
Prof. Christoph Kletzer ist Professor am King’s College London und eine profilierte Stimme in politischen Debatten.
»Eine seltsame Krankheit hat unsere europäische Staatsordnung befallen: Sie interessiert sich immer stärker für die kleinsten Details unseres Lebens, wird immer einfallsreicher bei der Tiefenregulierung des Alltags, lässt uns aber mit unseren brennendsten Nöten allein.«
Wir beginnen mit der Frage nach den immer stärker werdenden staatlichen Eingriffen. Welche Beispiele kann man dafür nennen?
»Im Grunde haben wir alle so kleine Sandboxen, in denen wir spielen dürfen«
Und dennoch verlieren viele der westlichen Staaten zunehmend die Fähigkeiten, ihre Kernaufgaben zu erfüllen.
Erleben wir in den vergangenen Jahrzehnten einen zunehmenden Illiberalismus? Das Ganze scheint gepaart zu sein mit einer wachsenden Moralisierung aller möglichen Lebensbereiche.
»Die Unfähigkeit im Großen wird durch aggressiven Kleingeist kompensiert.«
Was ist die Rolle der einzelnen Akteure und des Systems?
»Die Funktion des Systems ist das, was es tut« — »The purpose of a system is what it does«, Stafford Beer
Woher kommt dieses Verrutschen des staatlichen Fokus?
»Machtlosigkeit im Inneren wird mit technokratischem Verwaltungsstaatshandeln kompensiert. Das ist zum Teil in die DNA der Europäischen Union eingeschrieben.«
Sie wird als Neo-Funktionalismus bezeichnet. Was bedeutet dies? Wurden wir in eine politische Einheit geschummelt? Wer hat eigentlich welche Kompetenz und wer trägt für welche Entscheidungen konkret Verantwortung?
»Das wirkt mir eher nach FIFA als nach einem demokratischen System.«
Oder wie der Komplexitätsforscher Peter Kruse es ausgedrückt hat:
»In einem Krabbenkorb herrscht immer eine Mordsdynamik, aber bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass eigentlich nichts richtig vorwärtsgeht.«
Wie kann man komplexe Systeme strukturieren oder Ordnung in komplexe Systeme bringen? Gibt es einen verfassungsrechtlichen Geburtsfehler in der EU? Kann man diesen noch beheben? Wird das Problem überhaupt diskutiert?
Welche Rolle spielen Preise in der Selbstorganisation komplexer Wirtschaften?
Kann Innovation als Arbitrage betrachtet werden?
Wie viel kann bei einer komplexen Einheit wie der EU zentral gesteuert werden und wie viel muss sich durch selbstorganisierende Phänomene gestalten lassen? Sollten wir bei Kernaufgaben (was sind diese?) zentralistischer handeln und mehr Staat haben, aber beim Rest viel weniger Staat zulassen?
Was können wir von der Situation in Argentinien und Javier Milei lernen? Warum sind Preiskontrollen fast immer eine verheerende Idee?
Gleiten Top-Down organisierte, etatistische Systeme immer in Totalitarismus ab?
Was sind Interventionsspiralen, wie entstehen sie und wie kann man sie vermeiden?
Erleben wir eine Auflösung der regelbasierten globalen Ordnung und wie ist das zu bewerten, vor allem auch aus europäischer Perspektive? Werden wir vom Aufschwung, der aus Nationen wie den USA oder Argentinien kommt, überrollt; haben wir mit unserer Trägheit hier überhaupt noch eine Chance, mitzukommen?
Gibt es eine »Angst vor Groß« in Europa? Dafür aber dominieren Sendungsbewusstsein und Hochmut? Wie spielt diese Angst zusammen mit einer der aktuell größten technologischen Veränderungen, der künstlichen Intelligenz?
Haben wir es im politischen und bürokratischen Systemen mit einer Destillation der Inkompetenz zu tun? Oder liegt das Problem eher bei einer Politisierung der Justiz?
»Die künftige Konfliktlage ist zwischen Justiz und Parlament.«
Wer regiert eigentlich unsere Nationen? Politik oder »Deep State«? War der »Marsch durch die Institutionen« erfolgreich und hat unsere Nationen nachhaltig beschädigt?
Wer hat eigentlich den Anreiz, in die öffentliche Verwaltung zu gehen?
Braucht es die überschießende Rhetorik von Milei, um überhaupt eine Chance zu haben, den Stillstand zu beenden?
»By liberty, was meant protection against the tyranny of the political rulers.«, John Stuart Mill
Erleben wir eine Umkehrung der hart erkämpften Werte der Aktivisten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts? Ist der Schutz von Politikern wichtiger als die freie Meinungsäußerung? Wo sind wir hingeraten?
Was bedeutet Liberalismus überhaupt und wie hat sich der Begriff verändert? Wie setzt sich der liberale Staat gegen seine Feinde zur Wehr? Aber wer entscheidet, wer der Feind ist Wie weit kann der Staat »neutral« bleiben, wie weit muss er Werte haben?
Von der Wiege bis zur Bahre, vom Staat bevormundet? Ist das dann zu viel? Oder wollen das viele wirklich?
»Die Schwierigkeit der Menschen, erwachsen zu werden, ist auch ein Wohlstandsphänomen. Der Wohlstand, den wir haben, führt auch zum ewigen Kind.«
Aber dazu kommt noch eine weitere Dimension:
»Auch die Hypermoral ist ja eine infantile Geschichte.«
Woher kommen eigentlich die großen Veränderungen im späten 20. und 21. Jahrhundert?
»Die neue Revolution ist nicht ausgegangen von der Arbeiterschaft, sondern von der administrativen Elite«, James Burnham
Schafft der administrative Staat immer neue Situationen, die immer neue Eingriffe notwendig machen und die eigene Macht verstärken? Werden also immer neue paternalistische Strukturen notwendig, um die Probleme zu »lösen«, die selbst zuvor verursacht wurden? Und diese Problemlösung erzeugt wieder neue Probleme, die … Ist das Lösen der Probleme im Sinne der Machtstruktur gar nicht wünschenswert?
Trifft dies nicht nur auf politische, sondern auch auf andere Organisationsstrukturen zu?
Was ist die »eisige Nacht der polaren Kälte« nach Max Weber? Kann man eine Bürokratie der Debürokratisierung und damit eine Multiplikation des Problems vermeiden? Lässt sich dieses Dilemma rational, vernünftig lösen oder stecken wir hier in der Pathologie der Rationalität fest?
Braucht es einen Clown, um den gordischen Knoten durchzuschlagen? Aber steckt in dieser Irrationalität nicht auch eine Gefahr? Welches unbekannte Know-how steckt — nach konservativer Logik — in den etablierten Strukturen?
Stehen wir vor der Wahl einer tödlichen Verfettung oder einer gefährlichen Operation? Was wählen wir?
Welches Hindernis stellt Statusdenken und Verhaften in Hierarchien dar? Signalisierung vor Bedeutung?
Hilft das Denken von Foucault, um diese Problemlagen besser zu verstehen?
»Academia has a tendency, when unchecked (from lack of skin in the game), to evolve into a ritualistic self-referential publishing game.«, Nassim Taleb
Spielen wir in der Wissenschaft Cargo-Kult im 21. Jahrhundert?
»Wenn man nur die richtigen Wörter sagt [passend zum jeweiligen Kult], dann ist es schon wahr.«
Und der Cargo-Kult applaudiert.
»Status können wir in Europa. Und Status ist per definitionem Abwendung von Realität.«
Wie gehen wir in die Zukunft?
»Ich bin für den Einzelnen optimistisch, fürs Kollektiv weniger.«
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 111: Macht. Ein Gespräch mit Christine Bauer-Jelinek
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Episode 107: How to Organise Complex Societies? A Conversation with Johan Norberg
-
Episode 106: Wissenschaft als Ersatzreligion? Ein Gespräch mit Manfred Glauninger
-
Episode 103: Schwarze Schwäne in Extremistan; die Welt des Nassim Taleb, ein Gespräch mit Ralph Zlabinger
-
Episode 99: Entkopplung, Kopplung, Rückkopplung
-
Episode 96: Ist der heutigen Welt nur mehr mit Komödie beizukommen? Ein Gespräch mit Vince Ebert
-
Episode 95: Geopolitik und Militär, ein Gespräch mit Brigadier Prof. Walter Feichtinger
-
Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
-
Episode 77: Freie Privatstädte, ein Gespräch mit Dr. Titus Gebel
-
Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
Christoph Kletzer
Fachliche Referenzen
- Stafford Beer, The Heart of Enterprise, Wiley (1979)
- Thomas Sowell, intellectuals and Society, Basic Books (2010)
- Friedrich von Hayek, The Road to Serfdom, Routledge (1944)
- John Stuart Mill, On Liberty (1859)
- David Graeber, The Dawn of Everything, A New History of Humanity, Farrar, Strauss and Giroux (2021)
- Max Weber, Politik als Beruf (1919)
- Nassim Taleb, Skin in the Game, Penguin (2018)
- Steven Brindle, Brunel: The Man Who Built the World, W&N (2006)
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Monday Jan 27, 2025
116 — Science and Politics, A Conversation with Prof. Jessica Weinkle
Monday Jan 27, 2025
Monday Jan 27, 2025
Todays guest is Jessica Weinkle, Associate Professor of Public Policy at the University of North Carolina Wilmington, and Senior Fellow at The Breakthrough Institute.
In this episode we explore a range of topics and we start with the question: What is ecomodernism, and how does The Breakthrough Institute and Jessica interpret it?
“It's not a movement of can'ts”
Why are environmentalists selective about technology acceptance? Why do we assess ecological impact through bodies like the IPCC and frameworks like Planetary Boundaries? Are simplified indicators of complex systems genuinely helpful or misleading?
Is contemporary science more about appearances than substance, and do scientific journals serve more and more as advocacy platforms than fact-finding missions? How much should activism and science intersect? To what extent do our beliefs influence science, and vice versa, especially when financial interests are at play in fields like climate science? Can we trust scientific integrity when narratives are tailored for publication, like in the case of Patrick Brown?
What responsibilities do experts have when consulting in political spheres, and should they present options or advocate for specific actions? How has research publishing turned into big business, and what does this mean for the pursuit of truth?
“Experts should always say: here are your options A, B, C...; not: I think you should do A”
How does modeling shape global affairs? When we use models for decision-making, are we taking them too literally, or should we focus on their broader implications?
“To take a model literally is not to take it seriously […] the models are useful to give us some ideas, but the specificity is not where we should focus.”
What's the connection between scenario building, modeling, and risk management?
“There is an institutional and professional incentive to make big claims, to draw attention. […] That's what we get rewarded for. […] It does create an incentive to push ideas that are not necessarily the most helpful ideas for addressing public problems.”
How does the public venue affect scientists, and does the incentive to make bold claims for attention come at the cost of practical solutions? What lessons should we have learned from cases like Jan Hendrik Schön, and why haven't we?
“There is an underappreciation for the extent to which scholarly publishing is a business, a big media business. It's not just all good moral virtue around skill and enlightenment. It's money, fame and fortune.”
Finally, are narratives about future scenarios fueling climate anxiety, and how should we address this in science communication and policy-making?
“There is a freedom in uncertainty and there is also an opportunity to create decisions that are more robust to an unpredictable future. The more that we say we are certain ... the more vulnerable we become to the uncertainty that we are pretending is not there.”
Other Episodes
- Episode 109: Was ist Komplexität? Ein Gespräch mit Dr. Marco Wehr
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Episode 107: How to Organise Complex Societies? A Conversation with Johan Norberg
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Episode 90: Unintended Consequences (Unerwartete Folgen)
-
Episode 86: Climate Uncertainty and Risk, a conversation with Dr. Judith Curry
-
Episode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica Thompson
-
Episode 76: Existentielle Risiken
-
Episode 74: Apocalype Always
-
Episode 70: Future of Farming, a conversation with Padraic Flood
-
Episode 68: Modelle und Realität, ein Gespräch mit Dr. Andreas Windisch
-
Episode 60: Wissenschaft und Umwelt — Teil 2
-
Episode 59: Wissenschaft und Umwelt — Teil 1
References
- Jessica Weinkle
- The Breakthrough Journal
- Planetary Boundaries (Stockholm Resilience Centre)
- Patrick T. Brown, I Left Out the Full Truth to Get My Climate Change Paper Published, The FP (2023)
- Roger Pielke Jr., What the media won't tell you about . . . hurricanes (2022)
- Roger Pielke Jr., "When scientific integrity is undermined in pursuit of financial and political gain" (2023)
- Many other excellent articles Roger Pielke on his Substack The Honest Broker
- Jessica Weinkle, Model me this (2024)
- Jessica Weinkle, How Planetary Boundaries Captured Science, Health, and Finance (2024)
- Jessica Weinkle, Bias. Undisclosed conflicts of interest are a serious problem in the climate change literature (2025)
- Marcia McNutt, The beyond-two-degree inferno, Science Editorial (2015)
- Scientific American editor quits after anti-Trump comments, Unherd (2024)
-
Erica Thompson, Escape from Model Land, Basic Books (2022)
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Tuesday Jan 07, 2025
115 — Fragen über Fragen
Tuesday Jan 07, 2025
Tuesday Jan 07, 2025
Jahresrückblicke finde ich eher langweilig; jeder weiß, was im letzten Jahr passiert ist. Für mich ist es viel spannender zu reflektieren, was wir aus dem vergangenen Jahr lernen können. Welche Irrtümer haben wir gemacht, welche eigenen Ideen wurden in Frage gestellt? Welche neuen Fragen stellen sich und welche werden entscheidend für das kommende Jahr sein? Fragen scheinen mir konstruktiver zu sein als Antworten, da sie das Denken leiten und zu Diskussionen und Widersprüchen einladen, ohne die Antworten vorwegzunehmen.
Diese Episode widmet sich genau diesen Fragen und Themen, die besonders in den Episoden des letzten Jahres diskutiert wurden. Beginnen wir mit den »Strukturen des Versagens«. Nach Rory Sutherland kann das Gegenteil von gut ebenfalls gut sein. Das Gegenteil von schlecht hingegen ist oft noch schlechter. Die »Contrarian« Position ist keine stabile Basis zur Wahrheitsfindung. Nur durch ehrliche Auseinandersetzung und stetigen kritischen Diskurs können wir der Wahrheit näherkommen. Wir können die Realität ignorieren, aber nicht die Folgen dieses Ignorierens – ein Phänomen, das in den nächsten Jahren in Europa besonders bitter werden könnte, wenn wir weiterhin politisches oder aktivistisches Wunschdenken über die Realität stellen.
Ein weiteres Thema ist, was die Legacy-Medien ersetzen wird. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass traditionelle Medien an journalistischem Wert und Bedeutung verloren haben. Die US-Wahlen wurden durch Podcasts und soziale Medien beeinflusst, und in Europa könnten ähnliche Überraschungen folgen. Aber was sollte diese Systeme ersetzen?
Weiters haben wir diskutiert, ob mehr Wissenschaftler wirklich zu besserer Wissenschaft führen. Es gibt Anzeichen für Marktverzerrungen in der Wissenschaft, was zu kurzfristigen Zielen und Stagnation führt. Wie sollte Wissenschaftsförderung stattfinden, zumal der aktuelle Zustand nicht zufriedenstellend ist?
Komplexität und Resilienz sind ein weiteres Thema. Der Irrglaube, dass komplex gleich fragil ist, wird von der Natur widerlegt, die komplex und zugleich, oder gerade deshalb (?) resilient ist. Menschliche Systeme hingegen scheinen oft durch Komplexität fragil zu werden. Welche Faktoren machen ein komplexes System resilient oder fragil?
Ein weiterer Punkt ist das Konzept von Skin in the Game gegenüber Risikovermeidung. Gesellschaften brauchen Menschen, die kluge Risiken eingehen — Unternehmer, Innovatoren, Wissenschaftler. Doch wie kann man Risikobereitschaft fördern, wenn diese Risiken das eigene Leben zerstören können?
Schließlich diskutieren wir den Liberalismus, die Freiheit und die Organisation komplexer Gesellschaften. Zentrale Lösungen für komplexe Probleme scheitern erwartungsgemäß. Kann und sollte man dysfunktionale Systeme reformieren oder ist ein Neuanfang nötig?
Wie erwachsen sind Erwachsene wirklich und wie viel Selbstverantwortung kann man von ihnen in einer komplexen Gesellschaft erwarten?
Schreiben Sie mir Ihre Gedanken dazu – Diskussion und Widerspruch sind herzlich willkommen.
In diesen Shownotes gibt es keine Referenzen. Sie beziehen sich auf die Episoden des letzten Jahres.
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Thursday Dec 26, 2024
Thursday Dec 26, 2024
This is episode 2 with conversations from the Liberty in our Lifetime Conference. Please start with the first part; show notes and references also with episode 1.
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Tuesday Dec 17, 2024
Tuesday Dec 17, 2024
This episode is a special one as it brings you my impressions from the Liberty in Our Lifetime Conference held in Prague from November 1 to 3. Unlike my usual format of monologues or single guest interviews, this episode features brief conversations with six presenters from the conference, split into two parts.
In this first part, I speak with Massimo Mazzone about building a blue-collar Free City in Honduras, followed by discussions with urban economist Vera Kichanova, and Tatiana Butanka, who shares insights on the Free Community of Montelibero.
The conference, which generally leans towards libertarian ideas, showcases an astounding range of initiatives aimed at enhancing liberty in society.
I explore why successful societies should embrace explorers and risk-takers, questioning whether today's fear of challenging the status quo contradicts a progressive mindset. This aligns with Tatiana Butanka's appreciation for the variety of projects that are present at this conference and Lauren Razavi's call for the need of
"revolutionary thinking with evolutionary approaches."
Part two (Episode #114) will continue with conversations with Lauren Razavi, who is building an online country for digital nomads, Grant Romundt, discussing his project on floating homes, and Peter Young from the Free Cities Foundation, reflecting on free cities and the conference's outcomes.
I emphasize the importance of experimentation in dynamic societies, suggesting that progress relies on educated experiments and unique ideas, some of which will succeed, fail, or at least inspire. The discussions explore the balance between collective action and individual liberty, questioning if modern democracies have swung too far towards government control.
Two additional remarks:
- No financial advice is given, despite mentions of new financial instruments in some conversations.
- For full disclosure: I received a free ticket for the conference.
Other Episodes
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Episode 108: Freie Privatstädte Teil 2, ein Gespräch mit Titus Gebel
-
Episode 107: How to Organise Complex Societies? A Conversation with Johan Norberg
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Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
-
Episode 58: Verwaltung und staatliche Strukturen — ein Gespräch mit Veronika Lévesque
-
Episode 77: Freie Privatstädte, ein Gespräch mit Dr. Titus Gebel
-
Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp Blom
References
- Liberty in Our Lifetime Conference
- Massimo Mazzone
- Tatiana Butanka
- Vera Kichanova
- Lauren Razavi
- Grant Romundt
- Peter Young
- Free Cities Foundation
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Wednesday Dec 04, 2024
112 — Nullius in Verba — oder: Der Müll der Wissenschaft
Wednesday Dec 04, 2024
Wednesday Dec 04, 2024
Heute wieder eine Episode in der ich kurz über eine Thema der Wissenschaftspraxis reflektieren möchte, den meisten Zuhörern wahrscheinlich nicht klar ist, dessen Konsequenzen sich auch mir noch nicht völlig erschließen, ich freue mich also auf Emails und Kommentare. Das Thema ist wenig erbaulich, ist aber ein Puzzlestein, der gut in das Bild passt, das wir in einigen früheren Episoden schon angesprochen haben.
Die Qualität des wissenschaftlichen Publikationswesens scheint sich im Sturzflug zu befinden und dies seit vielen Jahren. Die deutsche Physikerin Sabine Hossenfeldern sagt leicht polemisch:
»Scientific Process is slowing down and most of what gets published in academia is now bullshit.«
Was erleben wir in den letzten Jahrzehnten und warum hat mich eine persönliche Beobachtung zu dieser Episode gebracht?
Warum ist das Motto der 1660 gegründeten Royal Society heute aktueller als je zuvor.
»Nullius in Verba«
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 106: Wissenschaft als Ersatzreligion? Ein Gespräch mit Manfred Glauninger
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Episode 104: Aus Quantität wird Qualität
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Episode 91: Die Heidi-Klum-Universität, ein Gespräch mit Prof. Ehrmann und Prof. Sommer
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Episode 86: Climate Uncertainty and Risk, a conversation with Dr. Judith Curry
-
Episode 84: (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica Thompson
-
Episode 71: Stagnation oder Fortschritt — eine Reflexion an der Geschichte eines Lebens
-
Episode 68: Modelle und Realität, ein Gespräch mit Dr. Andreas Windisch
-
Episode 47: Große Worte
-
Episode 41: Intellektuelle Bescheidenheit: Was wir von Bertrand Russel und der Eugenik lernen können
-
Episode 39: Follow the Science?
Fachliche Referenzen
- Report of the Investigation Committee on the Possibility of Scientific Misconduct in the Work of Hendrik Schön And Coauthors
- Publikationen von Jan Hendrik Schön (Google Scholar)
- John Ioannidis, Das Gewissen der Wissenschaft, Ö1 Dimensionen (2024)
- John Ioannidis, The scientists who publish a paper every five days, Nature Comment (2018)
- John P. A. Ioannidis, Why Most Published Research Findings Are False (2005)
- Jesse Singal, Quick Fix, Picador (2022)
- Erica Thompson, Escape from Model Land, Basic Books (2022)
- Sabine Hossenfelder, Lost in Math: How Beauty Leads Physics Astray (2020)
- Beall's List
- Jeffrey Beall
- Sabine Hossenfelder, Science is in trouble and it worries me (2024)
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Monday Nov 18, 2024
111 — Macht. Ein Gespräch mit Christine Bauer-Jelinek
Monday Nov 18, 2024
Monday Nov 18, 2024
Ich freue mich ganz besonders, dass sich Frau Christine Bauer-Jelinek Zeit für ein Gespräch genommen hat, denn das Thema dieser Episode ist Macht.
Frau Bauer-Jelinek ist Wirtschaftscoach, renommierte Autorin, Keynote Speaker für Macht-Kompetenz sowie Vortragende bei »Zukunft Frauen«, einem Programm der Wirtschaftskammer Österreich für Frauen in Top-Positionen. Sie war Psychotherapeutin und u.a. Gastdozentin an der Donau-Universität Krems für »Macht und Mikropolitik in Organisationen«. Durch ihre Sachbücher wurde sie als Expertin für Mechanismen der Macht und deren Gender-Aspekte sowie für Trends der gesellschaftlichen Entwicklung bekannt.
Photo: Thomas Backmann
Wir beginnen das Gespräch mit der Frage, wie sie als Psychotherapeutin zum Thema Macht gekommen ist. Gab es in den 70er- und 80er-Jahren eine Veränderung der Sprache, hin zu einer »Entmilitarisierung«? Denken wir etwa an Jürgen Habermas und die damals modische Idee des »gewaltfreien Diskurses« oder die gewaltfreie Erziehung bis zu »Laissez-faire« der 1970er Jahre. Gab beziehungsweise gibt es ein Tabu zum Thema Macht?
»Das ist wie Sex in den 50er Jahren. Jeder macht es, aber keiner weiß, wie es geht und keiner hat Worte dafür.«
Frau Bauer-Jelinek sucht nach praktischen Ansätzen und Tools und schreibt ihr erstes Buch zum Thema im Jahr 2000. Aber wie ist Macht definiert? Wo kommt Macht zu tragen? Wer kann Macht besitzen und was ist strukturelle Macht? Existiert besonders in Deutschland und Österreich ein Macht-Tabu, das in dieser Form in anderen Nationen weniger zu beobachten ist?
»Nach Max Weber ist Macht das Vermögen einen Willen gegen einen Widerstand durchzusetzen, gleich mit welchen Mitteln. Dies ist allerdings gleich die maximale Eskalationsstufe.«
Gibt es hier Abstufungen? Gibt es friedliche Formen der Macht? Rhetorik, Verhandlungstechnik usw.
Was ist von der Veränderung der Anrede vom »Sie« zum »Du« im Unternehmen und in der Öffentlichkeit zu halten? Ist diese Ikeaisierung hilfreich, ein rein kulturelles Phänomen oder auch eine Veränderung (oder gar Verschleierung) von Machtverhältnissen?
»Der Diskurs mag herrschaftsfrei geheißen haben, aber er war natürlich nicht herrschaftsfrei.«
Was sind Dominanzgesten und wie verändern sich diese über die Zeit und (Sub)kulturen? Was ist der Zusammenhang zwischen Macht und Freiheit?
Welche Quellen der Macht kann man identifizieren?
- Macht der Materie
- Macht der Herkunft
- Macht der Mehrheit
- Macht des Wissens
- Macht der Gefühle
- Macht der Funktion
- Macht der Kontakte
- Macht der Überzeugung
Welche Rollen spielen Wissen, Expertise und Kompetenz? Wie ist das Verhältnis zwischen (Legacy-) Medien und Macht — was wird vermittelt und vor allem auch: Was wird nicht thematisiert? Wer beschließt beispielsweise, was »Fake News« sind.
»Wissenschaft ist das einzige Wort, das sich ins Gegenteil verkehrt, wenn man den Artikel davorsetzt. — Die Wissenschaft zu vereinnahmen, ist ein Machtinstrument«
Denn Wissenschaft funktioniert nicht demokratisch.
Wie viel ist Erfahrung wert und verändert Macht den Charakter?
»Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, dann gib ihm Macht.«, Abraham Lincoln
Oder bringt Macht den Charakter erst richtig hervor?
»Wenn man keinen Koffer mit Geld angeboten bekommt, kann man leicht tugendhaft sein.«
Haben Spitzenmanager psychopathische oder narzisstische Neigungen? Ist das ein Selektionsmechanismus? Wo steckt die Macht im Unternehmen und ist es überhaupt einfach zu erkennen, was das Ziel einer Organisation ist?
»Oben ist weniger Macht als Unten […] Viele, die über die gläserne Decke kommen, sehen dann erst, dass sie das gar nicht wollen. […] Besonders Frauen tun sich das dann oft nicht an, weil sie oft noch nicht so Status-orientiert sind.«
Muss Beruf Berufung sein, oder kann man seine Werte auch woanders ausleben? Aber kann man in der heutigen Arbeitswelt überhaupt zwischen Arbeit und Freizeit trennen? Liegt in dieser Vermischung nicht auch ein Machtinstrument?
Was ist die Elite und wer hat überhaupt Chance in die Elite aufzusteigen? Welche Rolle spielt formale Bildung — ist diese gar hauptsächlich Signalisierung?
»Die Insignien der Macht sind branchenabhängig.«
Was ist die Rolle der Religion und wie hat sich dies über die Jahre verändert? Ist Religion ein heute relevanter Schauplatz der Macht? Wie verhält es sich mit pseudo-/parareligiösen Strömungen, etwa in Form von radikalem Aktivismus?
Was ist die magische Auswahl? Die »unsichtbare« Form der Propaganda in »liberalen« Gesellschaften?
»You have to create a bubble of sanity« — ist das möglich, oder muss man im Unternehmen immer wachsam bleiben und eine »Rüstung« anziehen?
Was ist die Rolle von Familie und Freunden (und damit sind nicht Facebook-Freunde gemeint) und warum man Machttechniken des Berufes keinesfalls zuhause anwenden sollte?
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 107: How to Organise Complex Societies? A Conversation with Johan Norberg
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Episode 106: Wissenschaft als Ersatzreligion? Ein Gespräch mit Manfred Glauninger
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Episode 101: Live im MQ, Macht und Ohnmacht in der Wissensgesellschaft. Ein Gespräch mit John G. Haas.
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Episode 98: Ist Gott tot? Ein philosophisches Gespräch mit Jan Juhani Steinmann
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Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
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Episode 74: Apocalype Always
-
Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann
-
Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
Christine Bauer-Jelinek
- Homepage von Christine Bauer-Jelinek
- Vortragserie »Alles über Macht« YouTube
- Machtwort. Angst, Wut und Ohnmacht überwinden, Carl Ueberreuter (2016)
- Der falsche Feind – Schuld sind nicht die Männer, ecoWing (2012)
- Die helle und die dunkle Seite der Macht – Wie Sie Ihre Ziele durchsetzen, ohne Ihre Werte zu verraten, ecoWing (2020)
- Die geheimen Spielregeln der Macht – und die Illusionen der Gutmenschen, ecoWing (2020)
Fachliche Referenzen
- Jürgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns. (1981)
- Bryan Caplan, The Case against Education, Princeton University Press (2019)
- Robert Greene, The 48 Laws Of Power, Profile Books (2000)
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Tuesday Oct 29, 2024
110 — The Shock of the Old, a conversation with David Edgerton
Tuesday Oct 29, 2024
Tuesday Oct 29, 2024
This is again an exceptional conversation. For a long time, I looked forward to speaking with Prof. David Edgerton. He is currently a Fellow at the Wissenschaftskolleg zu Berlin and Hans Rausing Professor of the History of Science and Technology at King's College London. He is a noted historian of the United Kingdom as well as historian of technology and science. In the latter field he is best known for the book “Shock of the Old” which has been translated into many languages. He is also known in the UK for his commentaries on political and historical matters in the press. He is also a Fellow of the British Academy.
I read this book some years ago, and it left quite an impression on me. We talk about technology, or rather, why the word should not be used, about progress and stagnation; what role technology plays in societal change, if we really live in an age with an unseen pace of innovation, and much more.
We start with the question of how the book title “Shock of the Old” came about. What does the term “technology” mean, how does it relate to other terms like “technium” or the German terms “Technologie” and “Technik”, and why is it a problematic term?
“Technology is a very problematic concept, and if I would write the book again, I would not use the term. […] Technology is a concept that macerates the brain as it conflates multiple concepts.”
What is creole technology? Did we experience 50 years of unseen progress, or rather stagnation? How can we understand the reference of David Deutsch comparing the Solvay Conference 100 years ago with the current state of physics? Are we rather experiencing what Peter Kruse compares to a crab basket:
“There's always a lot of momentum in a crab basket, but on closer inspection, you realise that nothing is really moving forward.”, Peter Kruse
Can the 20th century be considered the playing out of the 19th century? What about the 21st century? Is technological change the driver of all change, or is technical change only one element of change in society? Does the old disappear? For instance, Jean-Baptiste Fressoz describes the global energy consumption in his book More and More and More.
“There has not been an energy transition, there has been a super-imposition of new techniques on old ones. […] We are living in the great age of coal.”
What is the material constitution of our world today? For example, Vaclav Smil makes it apparent, that most people have a quite biased understanding of how our world actually works.
How can change happen? Do we wish for evolution, or rather a revolution?
“The world in which we find ourselves at the start of the new millennium is littered with the debris of utopian projects.”, John Gray
Can technological promise also be a reason for avoiding change?
“Technological revolution can be a way of avoiding change. […] There will be a revolution in the future that will solve our problems. […] Relying only on innovation is a recipe for inaction.”
Do technologists tend to overpromise what their technology might deliver? For instance, the trope that this new technology will bring peace can be found over centuries.
Is maintenance an underestimated topic in out society and at universities? What role does maintenance play in our modern society in comparison to innovation? For example, Cyrus W. Field who built the first transatlantic cable between the US and UK proclaimed in an address to the American Geographical and Statistical Society in 1862
“its value can hardly be estimated to the commerce, and even to the peace, of the world.”
What is university knowledge, where does it come from, and how does it relate to knowledge of a society? How should we think about the idea of university lead innovation?
“There is a systematic overestimation of the university.”
Is there a cult of the entrepreneur? Who is actually driving change in society? Who decides about technical change? Moreover, most innovations are rejected:
“We should reject most of innovation; otherwise we are inundated with stuff.”
Are me even making regressions in society — Cory Doctorow calls it enshittification?
“We’re all living through a great enshittening, in which the services that matter to us, that we rely on, are turning into giant piles of shit. It’s frustrating. It’s demoralising. It’s even terrifying.”, Cory Doctorow
What impact will artificial intelligence have, and who controls the future?
“Humans are in control already. The question is which human.”
References
Other Episodes
- other English episodes
-
Episode 107: How to Organise Complex Societies? A Conversation with Johan Norberg
-
Episode 100: Live im MQ, Was ist Wissen. Ein Gespräch mit Philipp Blom
-
Episode 92: Wissen und Expertise Teil 2
-
Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
-
Episode 91: Die Heidi-Klum-Universität, ein Gespräch mit Prof. Ehrmann und Prof. Sommer
-
Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
-
Episode 71: Stagnation oder Fortschritt — eine Reflexion an der Geschichte eines Lebens
-
Episode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?
-
Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann
-
Episode 35: Innovation oder: Alle Existenz ist Wartung?
-
Episode 18: Gespräch mit Andreas Windisch: Physik, Fortschritt oder Stagnation
Dr. David Edgerton...
- ... at Wissenschaftskolleg zu Berlin
- ... at King's College London
- ... at Centre for the History of Science, Technology and Medicine
- ... at the British Academy
- Personal Website
- ... on X
- David Edgerton, The Shock Of The Old: Technology and Global History since 1900, Profile Books (2019)
Other References
- David Graeber, Peter Thiel, Where Did the Future Go (2020)
- Conversations with Coleman, Multiverse of Madness with David Deutsch (2023)
- Peter Kruse, next practice. Erfolgreiches Management von Instabilität. Veränderung durch Vernetzung, Gabal (2020)
- Jean-Baptiste Fressoz, More and More and More: An All-Consuming History of Energy, Allen Lane (2024)
-
Vaclav Smil, How the World Really Works, Penguin (2022)
-
John Gray, Black Mass, Pengui (2008)
- Ainissa Ramirez, A Wire Across the Ocean, American Scientist (2015)
-
Thomas Sowell, intellectuals and Society, Basic Books (2010)
- Peter Thiel Fellowship
- Cory Doctorow, ‘Enshittification’ is coming for absolutely everything, Financial Times (2024)
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Tuesday Oct 08, 2024
109 — Was ist Komplexität? Ein Gespräch mit Dr. Marco Wehr
Tuesday Oct 08, 2024
Tuesday Oct 08, 2024
Eifrige Hörer des Podcasts werden bemerken, dass es bereits eine Episode zum Thema gab, nämlich Episode 10 mit dem Titel »Komplizierte Komplexität« aus dem Jahr 2019. Es lohnt sich auch, diese nochmals nachzuhören, aber nach fünf Jahren ist es an der Zeit, hier ein Update zu machen. Ganz besonders auch deshalb, weil ich wieder einen hervorragenden Gesprächspartner zum Thema virtuell einladen durfte, Dr. Marco Wehr.
Dr. Marco Wehr ist Physiker und promovierter Wissenschaftstheoretiker. Als vielfach ausgezeichneter Autor und Redner beschäftigt er sich mit Fragen der Vorhersehbarkeit, der Rolle des Körpers für das Denken und der Beziehung von Gehirn und Computer. Marco Wehr ist Gründer und Leiter des Philosophischen Labors in Tübingen. Sein neues Buch »Komplexe neue Welt« ist natürlich eine der Grundlagen für dieses Gespräch. Es ist unlängst zum Wissensbuch des Jahres 2024 vorgeschlagen worden. Link zum Buch natürlich wie immer in den Shownotes.
Marco beschäftigt sich auch mit der Frage der Modellierung, und sein aktuelles Vortrags-Format für 2025 heißt folgerichtig: »Die Macht mathematischer Modelle«.
Wir beginnen mit der Frage, was der Unterschied zwischen komplexen und komplizierten Systemen oder Fragestellungen ist, zumal diese beiden Begriffe umgangssprachlich oft synonym verwendet werden. Was kann man in dieser Hinsicht von Mandelbrot-Fraktalen lernen?
Welche Systeme der Welt sind irreduzibel?
“Can one predict what will happen? No, there’s what I call computational irreducibility: in effect the passage of time corresponds to an irreducible computation that we have to run to know how it will turn out.”, Stephen Wolfram
Wie kann man feststellen, ob man ein kompliziertes oder komplexes Problem vor sich hat? Was sind »Inseln der Propheten«? Gibt es eine kognitive Täuschung in den Naturwissenschaften? Der US-amerikanische Wissenschaftsforscher John Ioannidis hält Menschen (und besonders auch Wissenschafter), die glauben, zu viel zu wissen, für eine große Gefahr. Schon der bedeutende Philosoph des 20. Jahrhunderts, Karl Popper, hat dies sehr deutlich ausgedrückt:
»Jeder Intellektuelle hat eine ganz spezielle Verantwortung. Er hat das Privileg und die Gelegenheit, zu studieren. Dafür schuldet er es seinen Mitmenschen (oder der Gesellschaft), die Erkenntnisse seines Studiums in der einfachsten und klarsten und bescheidensten Form darzustellen. Das Schlimmste – eine Sünde gegen den heiligen Geist – ist, wenn die Intellektuellen es versuchen, sich ihren Mitmenschen gegenüber als große Propheten aufzuspielen und sie mit orakelnden Philosophien zu beeindrucken. Wer’s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er’s klar sagen kann.«
Dann sprechen wir über den Laplacesche Dämon und was man von ihm über die Welt und die Entstehung der Wahrscheinlichkeitsrechnung lernen kann?
Wie hat Urbain Le Verrier den Neptun vorhergesagt?
»Ich möchte, dass man das, was man weiß, und das, was man nicht weiß, deutlich voneinander unterscheidet.«
Wie erkennt man einen Experten und wer repräsentiert Wissenschaft?
Was sind Rückkopplung und Resonanz und warum ist es so entscheidend, diese Phänomene in komplexen Systemen zu verstehen? Wo sind die Grenzen eines Modells? Gibt es eine saubere Trennung zwischen Beobachter und Modell? Was sind Signaturen komplexer oder chaotischer Systeme?
Begehen wir in der heutigen wissenschaftlichen Praxis zu häufig den Fehler »im Licht zu suchen«, statt dort, wo es sinnvoll wäre — besonders in den Bereichen, die man im weiteren Sinne als Data-Science bezeichnet? Man kann versuchen, die Welt zu verstehen, oder die lösbaren Probleme der Welt herauszupicken und daraus falsche Schlüsse über die Welt zu ziehen.
Was ist die stoische Landkarte, wie kann und diese weiterhelfen?
Hypothese ist immer vor der Empirie und damit bekommen begründete Vorannahmen eine wichtige Rolle im wissenschaftlichen Prozess.
Dazu kommt, dass es nie nur ein Modell gibt, das zu bestimmten Daten »passt«, dies wird auch als Duhem-Quine Hypothese bezeichnet.
Was bedeutet dies am Beispiel der Klimamodellierung oder Wirtschaftsmodellen? Kann man die Inseln des Wissens von den Inseln des Unwissens unterscheiden? Welche Rolle spielen Vulkane und andere Naturkatastrophen?
Warum ist die Energiewende in Deutschland schiefgegangen?
»Am deutschen Wesen soll die Welt genesen...«
Die Welt lernt in der Tat von Deutschland, aber wohl eher am Versagen Deutschlands. Das mag gut für die Welt sein, ist aber schlecht für Deutschland. Wie ist das dazu gekommen? Was sind »intellektuelle Insulaner«?
Was sind Komplexitätsfallen – natürliche vs. künstliche — heute haben wir es mit beiden zu tun und einer Mischung/Interaktion von beiden? Noch kritischer sind hybride Komplexitätsfallen oder Komplexitätsmonster — wie kommen diese zustande?
Was versteht man unter emergenten Effekten?
Was sind existenzielle Risiken, und warum ist ein Fokus auf »Klima« kontraproduktiv — Carrington-Event als Beispiel.
“There are no solutions, only tradeoffs”, Thomas Sowell
Wie gehen wir als Individuen mit radikaler Unsicherheit in komplexen Systemen um?
»We control nothing, but we influence everything«, Brian Klaas
Was ist die richtige Balance zwischen Sicherheit und Unsicherheit? Ist diese erreichbar?
»Die meisten Menschen wollen nicht in einer total vorhersagbaren Welt leben, auch wenn sie das behaupten.«
Wie kommen wir als Gesellschaft wieder aus den zahlreichen schweren Problemen heraus, in denen wir uns in den letzten Jahren verstrickt haben? Offene Diskussion scheint das wesentlichste zu sein. Kontroverse steht im Zentrum von Wissenschaft und daraus folgt offener und kritischer gesellschaftlicher Diskurs.
Referenzen
Andere Episoden
-
Episode 107: How to Organise Complex Societies? A Conversation with Johan Norberg
-
Episode 106: Wissenschaft als Ersatzreligion? Ein Gespräch mit Manfred Glauninger
-
Episode 99: Entkopplung, Kopplung, Rückkopplung
-
Episode 96: Ist der heutigen Welt nur mehr mit Komödie beizukommen? Ein Gespräch mit Vince Ebert
-
Episode 94: Systemisches Denken und gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Gespräch mit Herbert Saurugg
-
Episode 92: Wissen und Expertise Teil 2
-
Episode 90: Unintended Consequences (Unerwartete Folgen)
-
Episode 86: Climate Uncertainty and Risk, a conversation with Dr. Judith Curry
-
Episode 85: Naturalismus — was weiß Wissenschaft?
-
Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine Reflexion
-
Episode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica Thompson
-
Episode 76: Existentielle Risiken
-
Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
-
Episode 69: Complexity in Software
-
Episode 68: Modelle und Realität, ein Gespräch mit Dr. Andreas Windisch
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Episode 36: Energiewende und Kernkraft, ein Gespräch mit Anna Veronika Wendland
-
Episode 10: Komplizierte Komplexität
Dr. Marco Wehr
- Marco Wehr auf LinkedIn
- Philosophisches Labor in Tübingen
- Marco Wehr, Komplexe neue Welt und wie wir lernen, damit klarzukommen, Galiani Berlin (2024)
Fachliche Referenzen
- Steven Wolfram, How to Think Computationally about AI, the Universe and Everything (2023)
- Daphne Hruby, John Ioannidis: Das Gewissen der Wissenschaft, Ö1 Dimensionen (2024)
- Karl Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt (1987)
- Underdetermination of Scientific Theory, Stanford Encyclopedia of Philosophy (2023)
- Franz Josef Radermacher, Global Energy Solutions
- Thomas Sowell, A Conflict of Visions: Ideological Origins of Political Struggles (1987)
- Brian Klaas, Fluke: Chance, Chaos, and Why Everything We Do Matters, John Murray (2024)

Tuesday Sep 24, 2024
108 — Freie Privatstädte Teil 2, ein Gespräch mit Titus Gebel
Tuesday Sep 24, 2024
Tuesday Sep 24, 2024
In einer Zeit, in der wir überall das Versagen etablierter Strukturen erleben, scheint es mir umso wichtiger zu sein, über neue Ideen nachzudenken und — im Rückgriff auf die letzte Episode mit Johan Norberg — viel offener und experimentierfreudiger zu sein. Mit »mehr vom selben« werden wir diese tiefe Krise, die Europa erfasst hat, nicht bewältigen können.
Eine solche Idee, die international stetig an Zuspruch gewinnt, ist das Thema der heutigen Episode: Freie Privatstädte, Teil 2. Im Gespräch wieder Titus Gebel. Denn es gab vor über einem Jahr die erste Episode zu diesem Thema (Episode 77). Ich habe viel Feedback und Nachfragen zu der ersten Episode bekommen, daher freue ich mich darauf dieses spannende Thema nochmals aufgreifen zu können und neue Entwicklungen mit Dr. Gebel zu sprechen.
Titus Gebel ist ein promovierter Völkerrechtler und Unternehmer mit einem weltweiten Netzwerk. Unter anderem war er Mitgründer und langjähriger CEO der an der Frankfurter Börse notierten Deutsche Rohstoff AG. Heute ist Titus Gebel der CEO von Tipolis, einem Singapurer Unternehmen, das neue Modelle des Zusammenlebens durch innovative Regierungskonzepte entwickelt. Er ist Autor des Buches "Freie Privatstädte – Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt", in dem er den Rahmen für die Gründung autonomer, privat verwalteter Rechtsräume darlegt.
Dr. Gebel spielte eine wichtige Rolle bei der Gründung der bisher fortschrittlichsten Sonderzone, Próspera in Honduras. Er berät auch andere Länder bei der Innovation von Sonderwirtschaftszonen und ist Präsident der Free Cities Foundation, welche weltweit die Entwicklung von freien Städten fördert.
Es hat noch einen weiteren Grund, warum diese Episode gerade jetzt aufgenommen wird. Einmal im Jahr findet die Liberty in our Lifetime Konferenz in Prag statt, dieses Jahr vom 1. - 3. Nov. Eine Konferenz, die sich mit dem Thema Freie Privatstädte beschäftigt und Interessenten aus der ganzen Welt anlockt. Ich werde an dieser Konferenz teilnehmen und auch versuchen, ein wenig von der Stimmung und von den Themen, die dort diskutiert werden, mitzunehmen und daraus eine Podcast-Episode zu machen.
Daher können wir diese Episode auch als Einstimmung verstehen.
Wir beginnen mit einem »Elevator Pitch«, in der Dr. Gebel das Konzept der freien Privatstädte kurz vorstellt. Regierung als Dienstleistung — was sind diese Dienstleistungen, was sind die Kosten? Was sind wesentliche Probleme in der öffentlichen Verwaltung?
- Was ist das Principal Agent Problem?
- Was ist die Public Choice Problematik?
- Wie gehen wir mit Regeländerungen um?
Ist der Bürger zunehmend machtlos in den heutigen westlichen Nationen? Was ist die Idee des klassisch liberalen Minimalstaats, kann das funktionieren? Warum sollte das wünschenswert sein? Ist das vielleicht überhaupt eine unerhörte Idee?
Es stellt sich die elementare Frage, worum sich der Staat kümmern soll, genauer gesagt, wozu er überhaupt die Kompetenz hat, sich zu kümmern. Wollen wir in Deutschland den »Übervater Staat«? Fallen wir gar in voraufklärerische Zeiten zurück?
Mit welchen Makrotrends oder großen Fragen, die heute zum Glück langsam wieder thematisiert werden, überschneiden sich diese Konzepte? Konzepte von Freiheit, Verhältnis Bürger / Staat; wer muss sich vor wem rechtfertigen? Wie sind Unterschiede im Blickwinkel auf diese Fragen zwischen den USA und Europa?
Welche Probleme kann man zentralisieren und welche muss man dezentral lösen oder jedenfalls angehen? Kann Planwirtschaft, auch wenn sie in der Vergangenheit immer gescheitert ist, in der Zukunft dennoch erfolgreich sein, z. B. durch die Nutzung von »künstlicher Intelligenz«? Zieht jede Zentralisierung immer mehr Macht an sich? Aus Konzentration von Macht folgt keineswegs eine Konzentration von Wissen.
Wie groß ist der Unterschied zwischen common law/case law gegenüber civil law in der »Philosophie« und in der Praxis?
Sind die FPS nur eine »Meta-Idee«, die verschiedenste Ausprägungen erlauben? Sind in Wahrheit Experiment und Wettbewerb eines der führenden Prinzipien? Ist das aktuelle System reformierbar?
»Der Staat soll nur Schiedsrichter sein und nicht mitspielen«
Warum gibt es so viel Gegenwind gegen neue und unkonventionelle Ideen?
»Wenn ich fremde Produkte verbieten muss, aus Angst, dass sie meine besten Leute abziehen, dann ist mit mir etwas nicht in Ordnung.«
Wie ist der Umgang der früheren Leitmedien mit solchen neuen Vorschlägen?
»Die Idee, dass die Menschen ihre Probleme selber lösen, ist nicht verbreitet.«
Unter welchen Rahmenbedingungen funktioniert Demokratie überhaupt? Glauben die heutigen »Progressiven« überhaupt noch an die Demokratie, die sie angeblich ständig verteidigen müssen? Wird gerade die Majestätsbeleidigung wieder eingeführt?
Was sollten wir über Skalierung wissen? Ist die Stadt möglicherweise die beste politisch/organisatorische Größe?
Wie unterscheiden sich die unterschiedlichen Konzepte, von der Sonderwirtschaftszone bis zur Freien Privatstadt? Was ist Seasteading — am Beispiel von Ocean Builders?
Was macht Tipolis als Unternehmen, und wie geht es dem Vorzeigeprojekt Próspera?
Sind diese Konzepte möglicherweise geeignet, um zu helfen, Afrika aus der Armut zu führen, nachdem die Ansätze der letzten Jahrzehnte keine wesentliche Verbesserung gebracht haben?
Was können wir von Javier Milei in Argentinien erwarten? Symptom oder Zeitenwende?
Referenzen
Andere Episoden
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Episode 77: Freie Privatstädte, ein Gespräch mit Dr. Titus Gebel
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Episode 107: How to Organise Complex Societies? A Conversation with Johan Norberg
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Episode 103: Schwarze Schwäne in Extremistan; die Welt des Nassim Taleb, ein Gespräch mit Ralph Zlabinger
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Episode 96: Ist der heutigen Welt nur mehr mit Komödie beizukommen? Ein Gespräch mit Vince Ebert
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Episode 93: Covid. Die unerklärliche Stille nach dem Sturm. Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
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Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph Möllers
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Episode 82: Smart Communities, ein Gespräch mit Ulrich Ahle
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Episode 73: Ökorealismus, ein Gespräch mit Björn Peters
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Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David Zimmermann
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Episode 65: Getting Nothing Done — Teil 2
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Episode 64: Getting Nothing Done — Teil 1
-
Episode 58: Verwaltung und staatliche Strukturen — ein Gespräch mit Veronika Lévesque
-
Episode 26: Was kann Politik (noch) leisten? Ein Gespräch mit Christoph Chorherr
Dr. Titus Gebel
- Homepage Dr. Titus Gebel
- Tipolis
- Free Cities Foundation
- Liberty in our Lifetime Conference, 1. - 3.Nov. 2024
Andere Referenzen
- Titus Gebel, Freie Privatstädte – Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt (2023)
- Próspera, Honduras
- Ocean Builders